EU-Parlament verabschiedet Strommarktreform und Gaspaket

In seiner vorletzten Sitzungswoche vor den EU-Wahlen im Juni 2024 hat das Europäische Parlament gleich zu mehreren Gesetzen im Rahmen des „Green Deals“, insbesondere zur EU-Strommarktreform und zum EU-Gaspaket, das Ergebnis der (informellen) Trilog-Verhandlungen gebilligt und die vorgeschlagenen Gesetzesentwürfe zur Freigabe an den Rat überwiesen. Dieser Beitrag dient als Update zu unserem Newsletter aus Oktober 2023 zur EU-Strommarktreform, den Sie auf unserer Homage finden, und zeigt die wesentlichen abweichenden Inhalte zur damaligen allgemeinen Ausrichtung des Rates auf. Des Weiteren informieren wir Sie hiermit über den aktuellen Stand des EU-Gaspakets.

Das EU-Parlament hat im Rahmen seiner Abstimmung zur EU-Strommarktreform, bestehend aus einer Verordnung und einer bereits mit dem Rat abgestimmten Richtlinie, die Debatte über die Reichweite der Förderung zweiseitiger Differenzverträge (Contracts for Difference, CfDs) entschärft. Während die allgemeine Ausrichtung des Rates im Oktober 2023 diese noch als verbindliches und einzig zulässiges Förderinstrument ansah, hält das EU-Parlament auch Strombezugsverträge (Power Purchase Agreements, PPAs), insbesondere in Bereichen, in denen CfDs nicht anwendbar sind, als ergänzendes Mittel für notwendig, um ein weitgehend auf erneuerbaren Energien basierendes Stromsystem aufzubauen und eine langfristige Stabilität des EU-Strommarktes sicherzustellen. Auch zum zentralen Streitpunkt der Verhandlungen der Mitgliedstaaten im Oktober 2023, auf welche Technologien die Förderregime Anwendung finden, wurde festgelegt: CfDs können für alle Investitionen in neue Stromerzeugungsanlagen eingesetzt werden, unabhängig davon, ob sie aus erneuerbaren Energien oder aus Kernenergie stammen. Gegen die Förderfähigkeit von Kernenergieanlagen hatte sich insbesondere Deutschland ausgesprochen. Neu ist auch, dass der abgestimmte Gesetzestext des EU-Parlaments einen Mechanismus zur Ausrufung einer Strompreiskrise vorsieht. Danach soll die EU unter bestimmten Bedingungen eine regionale oder EU-weite Strompreiskrise ausrufen können, die den Mitgliedstaaten erlaubt, vorübergehende Maßnahmen zu ergreifen, um die Strompreise für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) und energieintensive industrielle Verbraucher festzulegen. Ein weiteres Signal des EU-Parlaments ist das Festhalten am Merit-Order-System, dem Grundmechanismus des Strommarktes. Die Merit Order sei ein wesentliches Element für die effektive und effiziente Preissetzung und damit für die Einsatzplanung von Kraftwerken, so der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU). Weiterhin offen ist die europäische Absicherung durch Kapazitätsmechanismen, für die sich im Rat insbesondere Polen wegen seiner Kohlekraftwerke ausgesprochen hatte. 

Das EU-Gaspaket bildet den künftigen EU-Rechtsrahmen für die Dekarbonisierung der Gasmärkte, für das zukünftige Wasserstoffnetz und die Marktregulierung und ist damit einer der wichtigsten EU-Gesetzgebungsakte der Zukunft. Im Rahmen der Abstimmung über das EU-Gaspakets, bestehend aus Verordnung und Richtlinie, hat das EU-Parlament das in der Verordnung vorgesehene horizontale Entflechtungsmodell für Gasverteiler- und Wasserstoffnetze, das eine strikte Trennung von Vertrieb und Energieerzeugung von Gas/Wasserstoff vorsah, entschärft. Im Ergebnis ergibt sich nun eine Opt-Out-Lösung, im Rahmen derer die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen auf die horizontale Entflechtung verzichten können. Konkret genannt wird bspw. eine Kosten-Nutzen-Analyse. An der gemeinsamen EU-Einrichtung für Wasserstoffnetzbetreiber (European Networks of Hydrogen Networks Operators, ENNOH) hält das EU-Parlament weiter fest. Diese wird unabhängig vom bestehenden Europäischen Verbund der Fernleitungsnetzbetreiber für Gas (ENTSOG) und dem Europäischen Verbund der Übertragungsnetzbetreiber für Strom (ENTSO-E) agieren und soll dennoch gleichzeitig Synergien schaffen und die Zusammenarbeit zwischen den drei Sektoren stärken. Auch eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) und den nationalen Regulierungsbehörden hält das EU-Parlament für ein wichtiges Element des Gaspakets. Das EU-Gaspaket trifft zudem wichtige Weichenstellungen für die Regulierung von Wasserstoffnetzen sowie die Umstellung der bestehenden Erdgasinfrastruktur auf Wasserstoff

Der Spielball liegt nach erfolgter Abstimmung nun beim Ministerrat, der die Gesetzgebung der EU-Strommarktreform und des EU-Gaspaketes in einem nächsten Schritt formell annehmen muss, damit sie in Kraft treten kann. Während die der EU-Strommarktreform und dem EU-Gaspaket zugrunde liegenden Verordnungen mit Inkrafttreten unmittelbare Wirkung entfalten, müssen die Richtlinien in den kommenden Jahren noch in nationales Recht umgesetzt werden.

Zum Thema Wasserstoff richten wir zeitnah ein zweiteiliges Online-Webinar aus unter dem Titel „Der Hochlauf des Wasserstoffmarktes – Highway oder Stolperstrecke?“. Wir freuen uns auf interessante Vorträge und einen spannenden Diskurs zu Wasserstoffthemen, u.a. dem EU-Gaspaket, kartell- und regulierungsrechtlichen Fragen, den Perspektiven für Investoren sowie politischen und technologischen Herausforderungen im Bereich der Wasserstoffinfrastruktur. Den Termin für das Webinar werden wir in Kürze mitteilen. Wir freuen uns auf Sie! 

Gerne stehen Ihnen für Rückfragen Frau Dr. Kristin Spiekermann, Frau Katrin Ibrom und Frau Friederike Beck-Broichsitter zur Verfügung.