25.08.2022

Deutscher Energierechtstag 2022 in Essen

Zeitenwende – Konsequenzen der veränderten geopolitischen Lage für die Energiewirtschaft

Nahezu 400 Experten aus dem Bereich Energierecht und Energiewirtschaft, Vertreter von Unternehmen, Landes- und Bundespolitik, NGOs und den Medien trafen am 25. August 2022 im Musikpavillon des Grugaparks der Stadt Essen zum Deutschen Energierechtstag zusammen, um die drängenden Energie-Themen der Zeit zu diskutieren.

Im Vordergrund standen die Auswirkungen des nun schon sechs Monate anhaltenden Angriffskrieges in der Ukraine; die sich immer weiter verschärfende Lage der Knappheit und dadurch hohen Preise für das kostbare Gut Energie; die Schwierigkeiten, die Versorgungssicherheit mit Gas zu gewährleisten, den Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie das Thema Beschleunigung und Straffung von Genehmigungsverfahren auf allen Ebenen. Letzteres sei für eine erfolgreiche Energiewende eines der vorrangigen Themen, um wirklich voranzukommen und die Dinge zu verändern – darüber waren sich die Teilnehmer einig.

Zahlreiche Redner riefen zu einem Zusammenhalt in der Gesellschaft auf: gerade in diesen Zeiten sei es nötiger denn je, dass die (Energie)Themen der Zeit angesprochen und erklärt würden, dass Europa weiter zusammenstehe und sich nicht spalten ließe, dass Unmut in der Gesellschaft aufgefangen werde und die Gesellschaft zusammenhalte.

Wie ein roter Faden zog sich durch die Konferenz, die sich nun schon seit über zwanzig Jahren unter maßgeblicher Initiative von Rechtsanwalt Dr. Peter Rosin fest etabliert hat, der Appell zahlreicher Juristen und Unternehmer an die Politik, dass die Gesetze, die jetzt formuliert werden, handhabbar bleiben.

Dr. Rosin hob hervor: „Angesichts des Ernstes der Lage, in der wir uns befinden, und die Dinge, die wir in der Energiewirtschaft – aber auch als Gesellschaft – jetzt zügig bewegen müssen, braucht es dringend Klarheit und Schnelligkeit. Dafür sind wir alle – die gesamte Branche – auf Gesetze angewiesen, die in der Praxis umgesetzt werden können.“

Nur zu protestieren helfe nicht weiter. „Das primäre Ziel muß sein, einen praktikablen Rechtsrahmen zu schaffen, so dass Klagen vermieden werden können.“

Die Konferenz, durch die neben Dr. Peter Rosin Volker Heck, Partner von Deekeling Arndt, führte, brachte zahlreiche prominente Redner zusammen, darunter u.a.:

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, Schirmherr des DET 2022, dankte den Organisatoren mit den Worten: „Dass die Initiatoren dieses Forums uns als Stadt Essen das Vertrauen geschenkt haben, freut mich als Oberbürgermeister ganz besonders. Dies ist abermals auch Bestätigung für unsere intensiven Bestrebungen bei den Themen Wasserstoff und Dekarbonisierung.“ Weiter führte er aus: „Die anstehende Zeit wird für viele Gaskundinnen und Gaskunden – privat und in der Industrie – herausfordernd. Wenn nicht nur die höheren Gaspreise an die Kunden weitergegeben werden können, sondern auch die Gasumlage zum 1. Oktober wirksam wird, wird das für viele Betroffenen schmerzhaft werden. In Essen und NRW arbeiten wir unter Hochdruck an einer nachhaltigen und klimafreundlichen Ausrichtung des Wirtschaftsstandortes.“

Barbie Kornelia Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur

Barbie Kornelia Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, würdigte das Tempo bei der Befüllung der Gasspeicher in Deutschland und forderte weitere Anstrengungen. „Wir sind auf einem guten Weg“. Die Bundesnetzagentur wolle die Ausrufung einer Gasnotfallstufe vermeiden, bereite sich aber darauf vor, sagte sie. Auch Frau Haller hob die Notwendigkeit einer Straffung der Genehmigungsverfahren hervor – forderte dazu aber die Unterstützung der Branche ein.

Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen

Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen: „Ich sehe viel Bereitschaft zu pragmatischen Lösungen in der Energiekrise. Die Lösung für die Zukunft muss sein, den Ausbau der Erneuerbaren und unserer Netze ambitioniert anzugehen.“

Dr. Leonhard Birnbaum, Vorstandsvorsitzender der E.ON SE

Dr. Leonhard Birnbaum, Vorstandsvorsitzender der E.ON SE, bezeichnete die jetzige Krise als viel schwieriger als die Zeit der Corona-Pandemie. Europa sei viel stärker betroffen.

Er stimmte die Teilnehmer auf anhaltend hohe Energiepreise ein – nicht nur beim Gas, auch beim Strom. „Ich rechne nicht damit, dass wir zu den Preisen von vor der Krise zurückkommen“.

„Dass Verbraucher entlastet werden müssen, damit sie im Winter nicht im Kalten sitzen, weil sie es sich nicht mehr leisten können, die Heizung anzustellen, ist selbstverständlich. Die Lösungen hierfür müssen aber auch umsetzbar sein. Im Sinne der Systemstabilität bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber dies beherzigt.“ Vor allem sei auch Europa gefragt, einen für die Akteure praktikablen Rahmen zu schaffen.

Birnbaum: „Wir müssen auf eine sehr eindeutige und fokussierte Weise mit den Konsequenzen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine umgehen. Es braucht eine zielgerichtete und vor allem schnelle Transformation der Energiesysteme. Mehr Erneuerbare, mehr Wasserstoff, mehr Diversifizierung der Energieträger – und dazu vor allem viel mehr Augenmerk auf die dazugehörige Energie-Infrastruktur in den Netzen.“

Eindringlich und anschaulich appellierte Birnbaum an alle Beteiligten, planungsrechtliche Verfahren zu beschleunigen. Als Beispiel nannte Birnbaum die schnelle Handlungsfähigkeit seines Unternehmens während der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021. Damals wurde gemeinsam mit den Behörden schnell und unbürokratisch gehandelt. Dies müsse auch ohne Krise funktionieren.

Dr. Michael Müller, Finanzvorstand der RWE AG: „Die derzeitige Energiekrise macht eins nur noch deutlicher: Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen und den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft beherzt vorantreiben. Wenn wir uns die drei wichtigsten Aspekte – Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit – anschauen, dann sind grüne Technologien der Weg dahin.“

Jörg Bergmann, Sprecher der Geschäftsführung der Open Grid Europe GmbH

Dr. Jörg Bergmann, Sprecher der Geschäftsführung der Open Grid Europe GmbH: „Die Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs ist die Bedingung, damit eine energiepolitische Zeitenwende gelingen kann. Dafür braucht es geeignete politische Rahmensetzungen und zwar jetzt! OGE als wichtiger Player der Energiewende hat das Knowhow und die Infrastruktur, um die potentiellen Erzeugungs- und Importpunkte sowie Nachfrageregionen zu verbinden und damit einen entscheidenden Beitrag zum Wasserstoffhochlauf zu leisten.“

Weiter führte er aus: „Wie das Energiesystem der Zukunft aussieht, ist keine Frage eines Entweder-Oder. Das Energiesystem der Zukunft besteht aus erneuerbarem Strom sowie klimaneutralen Molekülen wie Wasserstoff sowie Biogas und muss integriert gedacht werden. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Systementwicklungsplanung als Basis der Netzentwicklungspläne für das Strom-, Gas- und Wasserstoffnetz. Weiter braucht es die passenden regulatorischen Weichenstellungen auf europäischer – und deutscher – Ebene, vor allem mit Blick auf den Wasserstoff-Hochlauf.“

Prof. Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Direktorin des Düsseldorfer Instituts für Energierecht

Prof. Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Direktorin des Düsseldorfer Instituts für Energierecht, widmete sich neben dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur und der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz vor allem dem europäischen Rahmen zur Gasversorgungssicherheit, allen voran der Gas-SicherheitsVO und den darauf basierenden Inhalten des Gas-Notfallplans der Bundesregierung sowie den Vorgaben des Gasspeichergesetzes.

Prof. Dr. Jochen Mohr, Universität Leipzig

Prof. Dr. Jochen Mohr, Universität Leipzig, behandelte weitere Aspekte des Energiesicherheitsgesetzes, allen Voran die Preisanpassungsregelung in §24 und sowie die saldierte Preisanpassung nach §26 und die darauf basierende Verordnung.


Vier Einzel-Workshops mit den Schwerpunkten Versorgungssicherheit, Regulierung, Erneuerbare Energien und Wasserstoff sowie Beschleunigung des Infrastrukturausbaus standen am frühen Nachmittag an.

Vor allem auch im Workshop zur Gas-Versorgungssicherheit am Nachmittag wurde wie auch immer wieder im Verlaufe der Konferenz deutlich, dass der Austausch zwischen den Akteuren der Energiewirtschaft und dem Gesetz- und Verordnungsgeber essentiell sei, um die notwendigen Änderungen des Rechtsrahmens vorzunehmen. Dies sei vor allem auch deshalb wichtig, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Eine politische Diskussionsrunde am frühen Abend rundete das Programm ab.

Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und ehemaliger niedersächsischer Umweltminister, nahm sowohl am Workshop zum Thema Versorgungssicherheit als auch an der politischen Podiumsdiskussion teil.

Fotos von Christine Sommerfeldt

Wir freuen uns, Sie im nächsten Jahr erneut begrüßen zu dürfen!

Das Energierechtsteam von Rosin Büdenbender und die DET GmbH

Folien des Deutschen Energierechtstags