Bundesregierung beschließt Änderung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung („NELEV“) 

Am 13. September 2023 hat die Bundesregierung eine Verordnung zur Änderung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung („NELEV“) beschlossen. 

Das Wesentliche 

Die Änderungen verfolgen das Ziel, den Netzanschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen weiter zu beschleunigen. Sie sind Teil eines umfangreichen Gesamtpakets zur Weiterentwicklung und Modernisierung des Zertifizierungsverfahrens für die technischen Mindestanforderungen von Stromerzeugungs- und Speicheranlagen rund um die EnWG-Novelle 2023 und das Solarpaket. 

Zu diesem Zweck soll anschlusswilligen Betreibern von Erzeugungsanlagen bis zu 500 KW installierter Leistungzunächst die Möglichkeit eröffnet werden, das bisherige aufwändige Verfahren der Anlagenzertifizierung gegenüber dem Netzbetreiber durch Nachweise über Einheiten- und Komponentenzertifikate der Hersteller zu ersetzen. Eine solche Ausnahme galt bislang allein für das Niederspannungsnetz der allgemeinen Versorgung. Dank der Reform gilt die Ausnahme nunmehr für alle Spannungsebenen. Die korrespondierenden Technischen Anschlussbedingungenfür solche Anlagen sollen einheitlich angepasst und um Systemsicherheitsaspekte ergänzt werden. 

Darüber hinaus wird ein verpflichtendes digitales Register für Einheiten- und Komponentenzertifikate sämtlicher Spannungsebenen geschaffen (§ 4 Abs. 1). Hersteller von zertifizierungspflichtigen Einheiten oder Komponenten müssen die Zertifikate nach Erstellung an das Register übermitteln (§ 4 Abs. 3). Der Anlagenbetreiber übermittelt lediglich noch die Zertifikatnummer der von ihm verwendeten Einheiten und Komponenten an den Netzbetreiber (§ 4 Abs. 9), welcher den aktuellen Status und die Gültigkeit eines jeden Zertifikates sodann über eine gängige IT-Schnittstelle automatisiert aus dem Register abrufen kann. Eine eigenständige Prüfung der Zertifikate durch den Netzbetreiber ist damit grundsätzlich nicht mehr erforderlich (§ 4 Abs. 8). 

Die Änderung der NELEV bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates.

Hintergrund 

Um ihre ambitionierten Ausbauziele zu erreichen, sieht die Bundesregierung vor allem Handlungsbedarf in Bezug auf die Beschleunigung des Netzanschlusses von Anlagen in der Leistungsklasse 135 bis 950 KW an das Mittelspannungsnetz. In jüngerer Vergangenheit wurde die NELEV bereits Mitte 2022 novelliert, um den damaligen sogenannten „Zertifikatestau“ bezüglich solcher Anlagen aufzulösen, welcher hinsichtlich des Netzanschlusses zu Verzögerungen führte. 

Mit den jetzigen Änderungen möchte die Bundesregierung rechtssichere Möglichkeiten für das Absehen von der aufwändigen Anlagenzertifizierung für Betreiber von Erzeugungsanlagen bis 500 KW installierter Leistung schaffen und die bisherige Nachweisübermittlung in Papierform oder als E-Mail-Anhänge, sowie die Pflege paralleler, nicht kompatibler Nachweisdatenbanken in Eigenregie durch die verschiedenen Netzbetreiber mit einem vereinfachten digitalen Format ersetzen. 

Infolge der Maßnahmen rechnet die Bundesregierung mit einer jährlichen Entlastung in Höhe von 151 Mio. EURbei durchschnittlich 350.000 betroffenen Anlagen pro Jahr. Profitieren sollen vor allem Photovoltaik-Dachanlagenauf gewerblich und privat genutzten Immobilien. Nicht zuletzt verspricht sich die Bundesregierung infolge der Vereinfachung und Digitalisierung auch mehr Verbindlichkeit bei der Einhaltung der technischen Anforderungen.  

Einzelheiten zur Vereinfachung des Zertifizierungsverfahrens und Überarbeitung der Technischen Anforderungen 

Von den Neuerungen profitieren alle Erzeugungs- und Speicheranlagen, die hinter einem Verknüpfungspunkt mit einem Netz der allgemeinen Versorgung eine maximale installierte Gesamtleistung von bis zu 500 KW und eine maximale Einspeiseleistung von 270 KW aufweisen. Im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens muss der Anlagenbetreiber dem Netzbetreiber nur noch die Registrierungsnummer für die Zertifikate jener Einheiten und Komponenten mitteilen, die er in seinen Anlagen verbaut hat. Eine freiwillige Teilnahme am bisherigen Nachweisverfahren bleibt dabei möglich, wenn es für den Anlagenbetreiber im Einzelfall sinnvoll erscheint (§ 2 Abs. 4 S. 3). 

Auch die Technischen Anforderungen an die vorgenannten Anlagen sollen in Vorbereitung auf das erwartete Massengeschäft geändert werden und bereits im Nachweisverfahren zu berücksichtigen sein (§ 2 Abs. 1). So sollen auf unterschiedlichen Spannungsebenen zukünftig einheitliche Anforderungen gelten (§ 2 Abs. 4), etwa hinsichtlich der bisherigen Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 „Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“.  

Zudem werden die Technischen Anforderungen um Systemsicherheitsaspekte erweitert.  

Ab einer kumulierten installierten Leistung von über 270 KW ist zusätzlich eine übergeordnete Entkupplungsschutzeinrichtung erforderlich (vergleichbar einer „Sicherung“ am Netzverknüpfungspunkt), um sicherzustellen, dass alle Anlagen hinter dem Netzverknüpfungspunkt bei einem Fehlerfall im öffentlichen Netz zum richtigen Zeitpunkt vom Netz gehen. Im Sinne der Technologieoffenheit ist zu diesem Zweck auch die Verwendung einer alternativen Einrichtung möglich, sofern deren Gleichwertigkeit gegenüber der Entkupplungsschutzeinrichtung nachgewiesen wird.  

Bis zur Anpassung der entsprechenden Technischen Anschlussregeln („TAR“) durch das zuständige Forum Netztechnik/Netzbetrieb im Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. („VDE-FFN“) soll übergangsweise eine zusätzliche Verordnung über technische Anforderungen an Energieanlagen („EAAV“) gelten (§ 2 Abs. 1 EAAV-nF). Nach Aktualisierung der TAR sollen die entsprechenden Übergangsregelungen außer Kraft gesetzt werden. 

Einzelheiten zum neuen digitalen Register 

Bei dem neu eingeführten digitalen Register (§ 4 Abs. 1) handelt es sich um eine online zugängliche Datenbank für Einheiten- und Komponentenzertifikate, wobei eine spätere Erweiterung auf weitere Inhalte wie Anlagen- und Betriebsmittelzertifikate in Betracht gezogen wird. Das Register erfüllt eine zentrale Kontroll- und Überwachungsfunktion. Durch die zentrale Erfassung und Überwachung von Einheiten- und Komponentenzertifikaten wird allen Marktteilnehmern transparent und digital verfügbar offensichtlich, welche Betriebsmittel über gültige Zertifikate verfügen und welche Handlungs- und Rechtsfolgen sich daraus ableiten lassen.  

Die Regelungen zum Register beschränken sich nicht auf bestimmte Anlagenklassen oder Spannungsebenen, sondern betreffen alle Erzeugungsanlagen (und Speicheranlagen), die unter den Netzkodex über Netzanschlussbestimmungen für Stromerzeuger fallen (Verordnung (EU) 2016/631). Für den Inhalt des Registers gilt eine Richtigkeitsvermutung, welche vor allem dem Netzbetreiber im Rahmen der automatisierten Verarbeitung der von dem Anlagenbetreiber gemeldeten Zertifikatenummern zugutekommt (§ 4 Abs. 8). Eigene Nachforschungen sind nur noch bei konkreten Anhaltspunkten für eine Nonkonformität der Anlagen erforderlich.  

Werden zertifizierungsrelevante elektrotechnische Eigenschaften der Einheit oder Komponente nachträglich geändert oder um neue Eigenschaften erweitert, führt dies grundsätzlich zum Erlöschen der Gültigkeit des betroffenen Zertifikats, (§ 5 Abs. 1). Praktisch relevante Ausnahmen finden sich etwa für Softwareupdates (§ 2 Abs. 6) oder Änderungen der Vorgaben durch den Verordnungsgeber bzw. das VDE-FFN. Im letzteren Fall ist eine beschleunigte Nachzertifizierung unter engen qualitativen und quantitativen Voraussetzungen möglich (§ 5 Abs. 2 S. 1).

BMWK zu NELEV