Auswirkungen des haushaltsrechtlichen Grundsatzurteils des BVerfG auf Ihre laufenden und/oder geplanten Förderanträge

Am 15. November 2023 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig erklärt (Urt. v. 15.11.2023, Az. 2 BvF 1/22). Im Fokus dieses Beitrags sollen die rechtlichen Auswirkungen auf Ihre laufenden und/oder geplanten Förderanträge und empfehlenswerte rechtliche Schritte in der aktuell dynamischen Situation stehen. Dazu möchten wir Sie zunächst über die betroffenen Förderprogramme informieren und am Ende ein Ausblick geben, welche politischen Entscheidungen in den kommenden Haushaltsjahren ab 2024 zu erwarten sind.

I. Folgewirkungen des haushaltsrechtlichen Grundsatzurteils

Mit dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 sollte eine im Bundeshaushalt 2021 für die Folgen der Corona-Pandemie vorgesehene, dafür jedoch nicht benötigte Kreditermächtigung über 60 Mrd. Euro durch Zuführung in den „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) als Sondervermögen für die Haushaltsjahre ab 2023 verwendet werden können, indem die Summe rückwirkend im Haushaltsjahr 2021 verbucht wurde, obwohl die Ausgabe des Geldes erst für die Folgejahre vorgesehen war. Dieses „Buchungsmanöver“ ermöglichte die Einhaltung der Schuldenbremse in den Jahren 2023 und 2024, nachdem sie von 2020 bis 2022 wegen der Corona-Pandemie sowie des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ausgesetzt war.

In seinem Urteil hat das BVerfG klargestellt, dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 die Anforderungen an Kreditaufnahmen in Notsituationen nicht erfüllt und das beschriebene „Buchungsmanöver“ zur Umgehung der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse führt. Die Entscheidung hat zur Folge, dass sich der Finanzierungsumfang des KTF, mit dem von 2024 bis 2027 insgesamt 211,8 Mrd. Euro zur Verfügung stehen sollten, durch die BVerfG-Entscheidung auf 151,8 Mrd. Euro reduziert. Auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), in den Kreditermächtigungen von 200 Mrd. Euro flossen, um Energiepreisbremsen und ähnliche Maßnahmen, wie die geplanten Zuschüsse zu den Übertragungsnetzentgelten zu finanzieren, wurde durch die Energienotlage begründet und ist vom Urteil betroffen. Beide Fonds stellen die wichtigsten staatlichen Finanzierungsinstrumente der Energiewendedar.

In Reaktion auf das Urteil hat das Bundesfinanzministerium die aktuelle Haushaltssperre verhängt. Diese basiert auf der Bundeshaushaltsordnung (BHO), die vorschreibt, dass das Eingehen (weiterer) finanzieller Verpflichtungen von der Einwilligung des Finanzministers abhängt, wenn die Entwicklung des Haushalts dies erfordert. Im Zuge der Haushaltssperre sind zukünftige Verpflichtungsermächtigungen, die eine rechtliche Bindung für Ausgaben in künftigen Haushaltsjahren auch über mehrere Haushalte hinweg ermöglichen, derzeit gestoppt.

II. Betroffene Förderprogramme des Bundes

Ausweislich der derzeitigen Disclaimer, die auf den Internetseiten des Bundes und seiner Einrichtungen zu den Förderprogrammen zu finden sind, sind die nachfolgend aufgelisteten Förderprogramme unmittelbar von der Verpflichtungsermächtigung betroffen:

  • Bundesförderung Energieberatung für Wohngebäude (EBW) und Nichtwohngebäude, Anlagen und Systeme (EBN), durch welche die Energieberatung für Gebäude mit bis zu 80 % des förderfähigen Beratungshonorars gefördert wird und die einen wichtigen Beitrag für die geplante Sanierung des Gebäudesektors leistet.
  • Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), die Anreize schafft, in den Neubau von Wärmenetzen mit hohen Anteilen an erneuerbaren Energien zu investieren und Bestandswärmenetze zu dekarbonisieren. Die BEW enthält einen Investitions- und Betriebskostenzuschuss von 40 % der förderfähigen Ausgaben im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitslückenberechnung und ist wesentlich für die Umsetzung der geplanten Wärmewende. Im KTF sind dafür insgesamt 800 Mio. Euro eingeplant.
  • Bundesförderung für Energieeffizienz in der Wirtschaft (EEW), die mit insgesamt sechs Fördermodulen Querschnittstechnologien, Energiemaßnahmen von Prozesswärme aus Erneuerbaren Energien, Soft- und Hardware zur Einrichtung oder Anwendung eines Energie- oder Umweltmanagementsystems, Energie- und ressourcenbezogene Anlagen- und Prozessoptimierung, Transformationskonzepte und Elektrifizierungsmaßnahmen (KU) fördert. Hierunter fällt insbesondere der Aufbau der Wasserstoffindustrie als Zukunftstechnologie, für den im KTF 3,8 Mrd. Euro geplant sind.
  • Weitere im KTF betroffene Förderungen sind die EEG-Förderung, die mit 12,6 Mrd. Euro seit Wegfall der EEG-Umlage nicht mehr auf die Netzkunden umgelegt wird, sowie Finanzhilfen an die Länder zur Förderung von Maßnahmen zur kommunalen Wärmeplanung, die der Umsetzung der Vorgaben u.a. des GEG 2024 zur kommunalen Wärmeplanung dienen, im KTF mit 100 Mrd. Euro veranlagt.
  • Im WSF sind die Energiepreisbremsen mit 10,6 Mrd. Euro und die geplanten Zuschüsse der Übertragungsnetzentgelte mit 5,5 Mrd. Euro betroffen.

III. Rechtlichen Auswirkungen auf laufende und/oder geplante Förderanträge

Obwohl eine verlässliche Aussage zur künftigen Fördermittelgewährung durch die aktuell dynamische Situation erschwert ist, lassen sich – vorbehaltlich etwaiger Änderungen und Vereinbarungen im Einzelfall – generelle Aussagen mit Blick auf laufende und/oder geplante Förderanträge treffen: 

Sofern Sie in den genannten Förderprogrammen eine verbindliche (und bestandskräftige) Förderzusage erhalten haben, sind Sie von der Haushaltssperre nicht betroffen und können Ihre bewilligten Förderungen weiterverfolgen. Haben Sie vor Kurzem eine Förderzusage erhalten, bei der (noch) Widerspruchs- bzw. Klagefristen laufen, sollten Sie unter Berücksichtigung der zu prüfenden Rechtmäßigkeit abwägen, diese zeitnah bestandskräftig (unanfechtbar) werden zu lassen, um Ihre Förderung zu sichern. Haben Sie dagegen einen Förderantrag erst gestellt, aber noch keine (bestandskräftige) Förderzusage erhalten, ist die Bescheidung Ihres Antrags in den aufgelisteten Förderprogrammen – bis zur Aufhebung der Haushaltssperre – derzeit ausgesetzt. 

In den zugrundeliegenden Förderrichtlinien ist für die Fördergewährung in der Regel geregelt, dass kein Rechtsanspruch des Antragstellers auf die jeweilige Förderung besteht, sondern deren Gewährung im Ermessen der Bewilligungsbehörde und unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der Haushaltsmittel steht. Die für die Förderung zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel unterliegen den haushaltsrechtlichen Bestimmungen und müssen jährlich im Bundeshaushalt festgelegt werden. In den genannten Förderprogrammen wird aufgrund der Haushaltssperre derzeit keine Förderbewilligung für neue Vorhaben erfolgen. Mit der Rücknahme oder dem Widerruf eines bestandskräftigen Förderbescheides allein aufgrund der derzeitigen haushaltsrechtlichen Situation müssen Sie jedoch grundsätzlich nicht rechnen, denn dabei gilt der Grundsatz „Geld hat der Staat zu haben“.

Ihren bereits gestellten Förderantrag sollten Sie vor dem Hintergrund der dynamischen Ausnahmesituation dennoch aus zwei Gründen nicht zurücknehmen: Zum einen hat das Bundeskabinett am 27.11.2023 den Entwurf des Nachtragshaushaltsgesetzes 2023 beschlossen. Die geplante Aussetzung der Schuldenbremse für 2023 hängt maßgeblich von der Zustimmung des Bundestages, mit dessen Beschließung am 14.12.2023 zu rechnen ist, und des Bundesrates, dessen Zustimmung spätestens am 15.12.23 zu erwarten ist. Stimmt der Bundestag dem Nachtragshaushalt 2023 unter Aussetzung der Schuldenbremse zu, dürfte mit der Aufhebung der Haushaltssperre für 2023 und der Wiedereinsetzung der Förderprogramme zu rechnen sein. Auf dieser Grundlage wäre eine Bescheidung von bereits in 2023 gestellten Förderanträgen bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen haushaltsrechtlich abgesichert. Zum anderen hat das BVerfG ausdrücklich klargestellt, dass der Haushaltsgesetzgeber bereits in 2023 übernommene Verpflichtungen anderweitig auszugleichen hat. Hinsichtlich geplanter Förderanträge sollten Sie überlegen, diese vorsorglich noch in diesem Jahr (2023) zu stellen, da die Rechtslage für die kommenden Jahre ab 2024 derzeit unsicher ist. Zu einem Zeitplan und der Ausgestaltung des Bundeshaushalts 2024 gibt es derzeit noch keine Angaben seitens der Bundesregierung. Für die kommenden Jahre sind Änderungen der Förderrichtlinien, insbesondere mit Blick auf die Gesamtförderhöhe, nicht auszuschließen.

Wir weisen darauf hin, dass die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) von der Haushaltssperre ausgenommen ist. Diese ist das zentrale Förderregime der Bundesregierung für die energetische Sanierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden im Rahmen des GEG 2024. Laufende BEG-Förderanträge werden bewilligt, geplante Anträge können weiterhin gestellt werden. Auch bereits zugesagte Förderdarlehen und Investitionszuschüsse sind nicht betroffen. Damit sichert die Bundesregierung den bereits im GEG 2024 beschlossenen Investitions- und Förderungsbedarf für die geplante Sanierung des Gebäudesektors unabhängig des Nachtragshaushalts 2023 ab. Die geplanten Anpassungen der BEG-Förderrichtlinien liegen derzeit zur Beratung im Bundestag und sollen eigentlich zusammen mit dem GEG zum 1.1.2024 in Kraft treten. Ob aufgrund der Haushaltslage Änderungen oder Kürzungen in Bezug auf die geplanten Förderhöhen in den BEG-Förderrichtlinien erfolgen, bleibt abzuwarten.

IV. Ausblick auf die kommenden Jahre ab 2024

Die Bundesregierung hat mit Blick auf die kommenden Haushaltsjahre ab 2024 mehrere Möglichkeiten: Sie kann die Schuldenbremse für 2024 (erneut) aussetzen. Dies erscheint jedoch vermutlich schwer begründbar, da die Energienotlage überwunden ist. Strom- und Gaspreisbremsen werden vorerst in 2024 nicht fortgesetzt, können aber jederzeit bei ansteigenden Preise wieder eingesetzt werden. Eine anderweitige Notlage in Form von „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ (vgl. Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG) ist zum jetzigen Zeitpunkt für 2024 nicht absehbar. Auch über eine Reform der Schuldenbremse wird diskutiert. Die Haushaltslücke könnte auch über Steuererhöhungenkompensiert werden, die aufgrund der Inflation und der bereits hohen Steuereinnahmen jedoch lediglich Ultima Ratiosein sollten. Es können, was eher zu erwarten ist, Einsparungen im Haushalt durch Priorisierungen vorgenommen werden, deren Festlegung nunmehr zentrale Aufgabe der Bundesregierung ist.

Für die kommenden Jahre ab 2024 besteht derzeit große Unsicherheit, die Unternehmen (erneut) vor die Herausforderung stellt, ihre Investitionen genügend zu planen. Aufgrund der Planungsunsicherheit ist zu erwarten, dass (dringend notwendige) Investitionen mit Blick auf 2024 zurückhaltender getätigt werden. Der hohe Investitions- und Förderbedarf von Energie-, Klimaschutz- und Transformationsmaßnahmen erfordert dringend Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Die ausgesetzten Förderprogramme stellen zentrale Förderregime der Energiewende dar, die zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien beitragen, die Umsetzung der Wärmewende und insbesondere den Ausbau der Wasserstofftechnologie als (eine) Zukunftstechnologie in Deutschland fördern.

Die Rückstufung der Förderhöhe oder gar der Wegfall solcher Förderprogramme aufgrund haushaltsrechtlich anderweitig gewählter Priorisierungen der Bundesregierung hätte weitreichende Folgen für die Einhaltung der Energie- und Klimaschutzziele. Ein verlässliches Förderregime und die Planbarkeit von Investitionen für die Privatwirtschaftbilden die Grundlage dafür, dass die Energiewende in Reichweite bleibt. Förderprogramme setzen wichtige wirtschaftliche Impulse und bilden einen wichtigen Konjunkturfaktor für bestehende Technologien und die Etablierung von Zukunftstechnologien in Deutschland. Die Umsetzung der Energiewende setzt verlässliche Rahmenbedingungen voraus, die die Bundesregierung für Energie- und Klimaschutzmaßnahmen endlich schaffen muss. Wünschenswert ist, dass baldmöglichst Lösungen für die Haushalte ab 2024 gefunden werden, um die Förderprogramme und die Förderungshöhe verbindlich festzulegen. Verlässliche Entscheidungen zu Förderprogrammen und zur Reduzierung der Übertragungsnetzentgelte vermitteln der Privatwirtschaft Planbarkeit und Verlässlichkeit. Hinsichtlich der – ursprünglich bereits beschlossenen – Zuschüsse zu den Übertragungsnetzentgelten liegt dem Bundestag aktuell ein kurzfristiger Änderungsantrag zum Haushaltsfinanzierungsgesetz vor, der die Streichung des § 24c EnWG vorsieht, in dem die Zuschüsse normiert sind. Eine Zustimmung des Bundestages ist für die letzte Sitzungswoche am 11.12.2023 geplant. Die Streichung des Zuschusses hätte erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der Netzentgelte und die Endkundenpreise.

In der aktuell dynamischen Situation ist in den nächsten Tagen und Wochen mit weiteren Änderungen zu rechnen. Diese werden wir natürlich beobachten und Sie hierüber informieren. Gerne stehen Ihnen Herr Dr. Peter Rosin und Frau Katrin Ibrom bei Fragen zur Fördermittelbewilligung zur Verfügung.

Telefonisch erreichen Sie uns unter der Telefon-Nr. 0201 102281 – 0.