Novellierung des Bundes-Immissions-Schutzgesetzes

Zustimmung des Bundesrates

11. Mai 2024

Am 14. Juni 2024 hat der Bundesrat dem Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht (BImSchG-Novelle) zugestimmt. Der Bundestag hatte das Gesetz am 6. Juni 2024 beschlossen. Wir haben die wesentlichen Aspekte der Novellierung für Sie ausgewertet.

Die Gesetzesnovelle beinhaltet eine Vielzahl an Regelungen, die zu einer Beschleunigung von Genehmigungsverfahren führen sollen – eine weitere Komponente bei der Durchführung der Energiewende in Europa. In der Praxis kommt es nun darauf an, dass die Regelungen auch vom Vorhabenträger und den zuständigen Behörden genutzt werden.

Insbesondere enthält die Novelle Regelungen zur Digitalisierung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, Erleichterungen für Windenergieanlagen an Land in Bezug auf Repowering und Typenänderungen sowie für Anlagen zur Herstellung und Speicherung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien.

I. Digitalisierung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens

Nach § 10 Abs. 1 BImSchG n.F. muss der Genehmigungsantrag zukünftig elektronisch gestellt werden, sofern die zuständige Behörde einen Zugang für die elektronische Antragstellung eröffnet hat. Die zuständige Behörde kann jedoch verlangen, dass die dem Antrag beizufügenden Unterlagen in Papierform übermittelt werden, soweit eine Bearbeitung anders nicht möglich ist. Die zuständige Behörde hat sodann das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt zu machen.

Zudem ist gem. § 10 Abs. 3 BImSchG n.F. die Auslegung des Antrags und der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, dadurch zu bewirken, dass die Dokumente auf der Internetseite der zuständigen Behörde zugänglich gemacht werden. 

Die nun aufgenommenen Änderungen im Hinblick auf eine weitergehende Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens waren überfällig. Zu kritisieren ist insoweit jedoch, dass es der Behörde auch weiterhin möglich ist, auf die Papierform zu bestehen. Dies allein mit der Begründung, dass eine Bearbeitung anders nicht möglich sei.

Eine weitere Änderung betrifft den Umgang mit Stellungnahmen betroffener Behörden: Hat eine nach § 10 Abs. 5 BImSchG n.F. zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die zu beteiligende Behörde sich nicht äußern will, soweit die zu beteiligende Behörde nicht in schriftlicher Form um eine einmalige Verlängerung um bis zu einem Monat bittet; die Möglichkeit zur Verlängerung gilt nicht für Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien oder einer Anlage zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien.Anstelle der Stellungnahme der zu beteiligenden Behörde kann die Behörde entweder zu Lasten der zu beteiligenden Behörde zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen ein Sachverständigengutachten einholen oder selbst Stellung nehmen.

Diese Straffung der Behördenbeteiligung bei der Genehmigung aller Anlagen und nicht mehr nur bei Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, dürfte in der Praxis große Zeitersparnisse mit sich bringen, sofern die zuständige Behörde die Entscheidung selbst trifft und nicht ein zeit- und kostenintensives Gutachten einholt. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die zuständigen Behörden überhaupt ausreichend Fachkompetenz besitzen, um selbst eine Entscheidung über die oft sehr fachspezifischen Fragen treffen zu können und zu wollen.

Des Weiteren sieht § 10 Abs. 6 BImSchG n.F. vor, dass der Erörterungstermin  auch in Form einer Onlinekonsultation oder durch eine Video- oder Telefonkonferenz erfolgen kann. Auf einen Erörterungstermin soll gem. § 16 der 9. BImSchV n.F. bei der Errichtung oder Änderung von Windenergieanlagen an Land, bei der Errichtung oder Änderung von Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und bei der Errichtung oder Änderung von Anlagen zur Speicherung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, die im unmittelbar räumlichen Zusammenhang mit Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien stehen, verzichtet werden, wenn nicht der Antragsteller diesen beantragt.

Die neu geschaffene Möglichkeit einer Onlinekonsultation kann zwar die Organisation und Abwicklung eines Erörterungstermins erleichtern. Jedoch bleibt abzuwarten, ob im Rahmen einer Onlinekonsultation auch der notwendige persönliche Austausch mit anschließender einvernehmlicher Konfliktlösung erfolgen kann.

Darüber hinaus wird durch die Einführung des Projektmanagers in § 2b der 9. BImSchV eine Möglichkeit geschaffen, um die Arbeitsbelastung der zuständigen Behörde zu reduzieren. Der Projektmanager hat sich bereits in anderen Bereichen, wie zum Beispiel dem Leitungsbau (vgl. § 43g EnWG), bewährt. Nach § 2b der 9. BImSchV soll die Genehmigungsbehörde in jeder Stufe des Verfahrens einen Dritten als Projektmanager, der als Verwaltungshelfer beschäftigt werden kann, auf Antrag oder mit Zustimmung des Vorhabenträgers und auf dessen Kosten mit der Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten (wie die Erstellung von Verfahrensleitplänen, die Fristenkontrolle, die Koordinierung von erforderlichen Sachverständigengutachten, das Qualitätsmanagement der Anträge und Unterlagen der Vorhabenträger sowie die Vollständigkeitsprüfung, die erste Auswertung der eingereichten Stellungnahmen, die organisatorische Vorbereitung und Leitung eines Erörterungstermins sowie der Entwurf der Entscheidung) beauftragen.

Die in § 7 der 9. BImSchV aufgenommene „Vollständigkeitsfiktion“ der Antragsunterlagen führt ebenfalls zu einer Beschleunigung des Verfahrens, da die Fristen der gesetzlich festgelegten Genehmigungsdauer (§ 10 Abs. 6a S. 1 BImSchG) nun bereits mit Ablauf der Monatsfrist bzw. der verlängerten Frist von 1 Monat und 2 Wochen (§ 7 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 der 9. BImSchV), oder – sofern die Behörde den Antragsteller zur Ergänzung der Antragsunterlagen aufgefordert hat (§ 7 Abs. 1 S. 3 der 9. BImSchV) –, mit Eingang der von der Behörde erstmalig nachgeforderten Unterlagen, zu laufen beginnen und darüber hinaus auch eine Definition der Vollständigkeit der Antragsunterlagen aufgenommen wurde (vgl. § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV).

Diese Regelung wird zukünftig verhindern, dass es bereits bei Antragstellung zu einem „Ping-Pong-Spiel“ zwischen Antragsteller und Behörde kommt und die Behörde mithin nur einmal eine Nachforderung an Antragsunterlagen vornehmen wird.

II. Vereinfachung von Repowering und Typenänderungen bei Windenergie an Land

Auch mit Blick auf das Repowering sieht die BImSchG-Novelle wesentliche Änderungen vor. Insbesondere wurde der Anwendungsbereich, mithin der Abstand von Neu- und Altanlage gem. § 16b Abs. 2 Nr. 2 BImSchG n.F. auf die fünffache Gesamthöhe der Anlage erhöht (zuvor zweifache Gesamthöhe). Dies ermöglicht dem Anlagenbetreiber eine flexiblere Ausgestaltung der Neuanlage.

Eine Erleichterung für die Praxis ist auch insoweit aufgenommen, als dass der Vorhabenträger der neuen Anlage beim vollständigen Austausch der Anlage mit dem Betreiber der Bestandsanlage nicht identisch sein muss. Er muss lediglich eine Erklärung des Betreibers der Bestandsanlage vorlegen, wonach dieser mit dem Repowering-Vorhaben einverstanden ist. Ein paralleler Betrieb einer Bestandsanlage und der sie ersetzenden neuen Anlage ist jedoch weiterhin nicht zulässig (§ 16b Abs. 10 BImSchG n.F.).

Für eine Typenänderung vor der Errichtung einer Anlage, bei der der Standort der Anlage um nicht mehr als 8 Meter geändert, die Gesamthöhe um nicht mehr als 20 Meter erhöht und der Rotordurchlauf um nicht mehr als 8 Meter verringert wird, ist ausschließlich die Standsicherheit nachzuweisen und schädliche Umweltauswirkungen durch Geräusche und nachteilige Auswirkungen durch Turbulenzen zu prüfen (§ 16b Abs. 7 BImSchG n.F.).

Eine solche Vereinfachung im Bereich der Typenänderung ist insbesondere aufgrund der Unvorhersehbarkeiten im Bereich der Verfügbarkeiten von bestimmten Anlagentypen sowie der sich stetig weiterentwickelnden Technik sinnvoll und wird zukünftig erhebliche Verzögerungen der Genehmigungsverfahren verhindern.

Die vorgenannten Änderungen sind hier nur beispielhaft aufgegriffen. Die Gesetzesnovelle beinhaltet darüberhinausgehend eine Vielzahl weiterer Änderungen. Insgesamt handelt es sich bei den in der Gesetzesnovelle enthaltenen Änderungen überwiegend um sinnvolle Beschleunigungsmöglichkeiten, die in der Praxis hoffentlich durch die zuständigen Behörden und betroffenen Vorhabenträger zahlreich genutzt und etabliert werden.

Gerne stehen Ihnen für Rückfragen Frau Rechtsanwältin Friederike Beck-Broichsitter und Herr Rechtsanwalt Christian Wolicki bei Rosin Büdenbender zur Verfügung.