Kraftwerkssicherheitsgesetz und zukünftiges Strommarktdesign – Aktueller Zwischenstand

Deutschland plant bis 2030 den Bau von bis zu 20 GW Gaskraftwerkskapazität, um den Energiebedarf zu sichern.

21. Oktober 2025

Dass die Bundesrepublik spätestens in den 2030er Jahren, u.a. bedingt durch den Ausstieg aus Atomkraft und Kohleverstromung, einen erhöhten Bedarf an regelbarer Kraftwerksleistung haben wird, ist den relevanten Stakeholdern bereits seit Jahren bekannt. Umstritten ist allerdings der genaue Bedarf, der je nach Szenarioanalyse zwischen 20 und 40 GW zusätzlicher Kraftwerksleistung liegen soll.¹

Ursprünglich hatte bereits das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im August 2023 eine Verständigung mit der Europäischen Kommission über die für eine Förderung der Errichtung neuer Kraftwerke relevanten beihilferechtlichen Fragen verkündet, die eine zeitlich gestaffelte technologiespezifische Ausschreibung von Wasserstoff-Sprinter-Kraftwerken, Wasserstoff-Hybrid-Kraftwerken und H2-ready-Gaskraftwerken mit einer Umstiegspflicht auf Wasserstoff in einem Umfang von insgesamt bis zu 23,8 GW erlauben würde.² An einem entsprechenden Verordnungsentwurf arbeitete das Ministerium, die Eröffnung der Konsultation oder Veröffentlichung eines Entwurfes blieb jedoch über lange Zeit aus.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Überführung von Corona-Kreditermächtigungen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) geriet die Umsetzung aufgrund weiterer Turbulenzen in der Haushaltsplanung ins Stocken.

Im September 2024 startete letztlich doch das Konsultationsverfahren für das nunmehr als Kraftwerkssicherheitsgesetz bezeichnete Gesetzesvorhaben mit abgespecktem Ausschreibungsvolumen von 12,5 GW und hiermit verbunden gleichzeitig einem Plan zum Übergang in einen technologieoffenen Kapazitätsmechanismus. Konnte man kurzzeitig auf eine parlamentarische Einigung hoffen, so scheiterte dieses Vorhaben jedoch im Dezember 2024 endgültig. Rechtliche Besonderheiten des Entwurfs waren u. a. die geplante beihilferechtliche Aufsplittung der 12,5 GW Kraftwerkskapazität im Rahmen der Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL)³ in zwei Teile, nämlich 7,5 GW als Dekarbonisierungsmaßnahme und 5 GW als Maßnahme zur Versorgungssicherheit, sowie die gesetzliche Festschreibung eines verbindlichen Umstiegsdatums für die Umstellung auf den 100 %-Wasserstoffbetrieb.⁴

Die neue Bundesregierung griff in ihrem Koalitionsvertrag diese Gedanken wieder auf und setzte sich zum Ziel, den Bau von bis zu 20 GW Gaskraftwerksleistung bis 2030 technologieoffen anzureizen.⁵ Hierbei sollten vorrangig bestehende Kraftwerksstandorte berücksichtigt werden und eine regionale Steuerung nach Bedarfen stattfinden. Gleichzeitig sollte durch einen technologieoffenen und marktwirtschaftlichen Kapazitätsmechanismus ein „systemdienlicher Technologiemix" entstehen.

Da die politische Entwicklung und Entscheidung zu einem bestimmten Strommarktdesign weiter andauern, kündigte die Bundesregierung nunmehr doch an, als „Schnellboot" noch in diesem Jahr (bzw. Anfang des Jahres 2026) technologiespezifische Ausschreibungen für reine Gaskraftwerke im Umfang von bis zu 10 GW durchzuführen.⁶ Die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission hierzu dauern jedoch wohl weiter an und stehen dem (beihilfe-)rechtlich verpflichtenden Konsultationsverfahren bisher noch im Wege.

Sollte die technologiespezifische Ausschreibung noch in diesem Jahr stattfinden, wird die weitere Entwicklung der anzureizenden Kraftwerkskapazität maßgeblich von einem in Zukunft politisch geeinten und von der Europäischen Kommission gebilligten Strommarktdesign abhängen.

Im kürzlich veröffentlichten Monitoringbericht zum Start der 21. Legislaturperiode skizzierten das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) an der Universität zu Köln und die Beratung für die Transformation der Energiewirtschaft (BET) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) mögliche Konzeptionen zur Einführung eines Kapazitätsmarktes bzw. zur weiteren Umsetzung der Kraftwerksstrategie.⁷ Denkbar sind demnach:

  1. Zentraler Kapazitätsmechanismus: Eine zentrale Stelle definiert den notwendigen Kapazitätsbedarf; dieser Gesamtbedarf wird in langfristigen Auktionen ausgeschrieben; bietet durch langfristige Ausschreibungen Anreize für langfristige Investitionsentscheidungen.
  2. Dezentraler Kapazitätsmarkt: Verpflichtet Bilanzkreisverantwortliche (BKV), Lieferungen durch Vorhalten von Kapazitäten abzusichern; dies erfolgt regelmäßig über Zertifikate, die präqualifiziert sein müssen; bei Verletzung der Pflicht fallen Pönalen an.
  3. Kombinierter Kapazitätsmarkt: Die zentrale Ausschreibung zur Bereitstellung von Kapazitäten wird mit dezentralen Absicherungspflichten kombiniert; eine zentrale Stelle bestimmt den Gesamtbedarf; auf dezentraler Ebene werden die BKV verpflichtet, die Bereitstellung durch Vorhalten von Kapazitäten abzusichern.
  4. Verpflichtendes Spitzenpreishedging: Die BKV werden verpflichtet, sich gegen hohe Strompreise bzw. potenzielle Knappheitssituationen abzusichern; die Absicherung erfolgt durch Hedging-Produkte, bei denen u. a. auch Banken und Versicherungen als Gegenpartei auftreten könnten.
  5. Kurzfristige, technologiespezifische Ausschreibungen von Kraftwerkskapazität: Der anfängliche Modus Operandi der Kraftwerksstrategie; der Zubau von Kraftwerkskapazität wird technologiespezifisch mittels Ausschreibungen angereizt.

Äußerungen der Bundeswirtschaftsministerin deuten darauf hin, dass das Haus derzeit, zumindest für den Beginn, einen zentralen Kapazitätsmechanismus nach belgischem Modell favorisiert.⁸

Dieses Modell wurde in Belgien ursprünglich wegen des geplanten Atomausstiegs und der parallelen Stilllegung von Kraftwerken in Nachbarländern eingeführt und beinhaltet die Verantwortung des Übertragungsnetzbetreibers für die Ermittlung des Kapazitätsbedarfs sowie Preisobergrenzen für Bestandsanlagen. Zudem umfasst es sogenannte Zuverlässigkeitsoptionen, die dem Anbieter von Kapazität einen Vergütungsanspruch gewähren, wenn der Day-Ahead-Strompreis unter einen festgelegten Schwellenwert fällt, und ihn im Gegenzug zur Rückzahlung der Differenz verpflichten, wenn der Preis diesen Wert übersteigt.⁹

Die Orientierung am belgischen Modell hätte unfraglich eine beschleunigende Wirkung für den weiteren Gesetzgebungsprozess, denn die Billigung der Europäischen Kommission für egal welches Strommarktdesign ist kein Selbstläufer, und das belgische Modell ist bereits europarechtlich überprüft. Zudem schafft ein zentraler Kapazitätsmechanismus Investitionssicherheit, die bei dem für den Kraftwerksbau nicht unerheblichen Kapitalbedarf eine wesentliche Anreizung darstellen dürfte und den Bedürfnissen der deutschen Strommarktsituation demnach am meisten entsprechen dürfte.

Demgegenüber mehren sich jedoch auch Kritiken, die insbesondere die Kosten für einen zentralen Kapazitätsmechanismus als überhöht betrachten.¹⁰ Auch die beihilferechtliche Zulässigkeit wird durch ein von der Deutschen Umwelthilfe in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten in Zweifel gezogen.¹¹

Die weitere Entwicklung zum Ausschreibungs- und Strommarktdesign bleibt abzuwarten. Über diese werden wir Sie an dieser Stelle und zu geeigneter Zeit weiter informieren.

Ihre Ansprechpartner

Dr. Peter Rosin

Christina Will

Christina Will

¹ Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Versorgungssicherheit Strom: Bericht 2025, https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/versorgungssicherheit-strom-bericht-2025.html (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

² Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Rahmen für die Kraftwerksstrategie steht, Pressemitteilung, 1. August 2023, https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2023/08/20230801-rahmen-fuer-die-kraftwerksstrategie-steht.html (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

³ https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52022XC0218(03)

⁴ Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Kraftwerkssicherheitsgesetz – Wasserstofffähige Gaskraftwerke, Broschüre https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/kraftwerkssicherheitsgesetz-wasserstofffaehige-gaskraftwerke.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

⁵ CDU, CSU und SPD, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD – Verantwortung für Deutschland, 21. Legislaturperiode, 2025, https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitionsvertrag2025.de/files/koav_2025.pdf (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

⁶ MEGA Monheim, Kraftwerks-Schnellboot soll mit 5 bis 10 GW starten, Unternehmensmeldung, 4. Juni 2025, https://www.mega-monheim.de/unternehmen/aktuelles/kraftwerks-schnellboot-soll-mit-5-bis-10-gw-starten (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

⁷ Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Energiewende effizient machen, Publikation, https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/energiewende-effizient-machen.html (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

⁸ MEGA Monheim, Kraftwerks-Schnellboot soll mit 5 bis 10 GW starten, Unternehmensmeldung, 4. Juni 2025, https://www.mega-monheim.de/unternehmen/aktuelles/kraftwerks-schnellboot-soll-mit-5-bis-10-gw-starten (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

⁹ enervis energy advisors GmbH, Marktdesign für einen sicheren, wirtschaftlichen und dekarbonisierten Strommarkt (im Auftrag von Zukunft Gas, Dezember 2022), https://gas-h2.de/fileadmin/Public/PDF-Download/studie-marktdesign-strommarkt-gas-h2-enervis.pdf (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

¹⁰ U.a. Marian Willuhn, BNE-Analyse zum Kapazitätsmarkt: 435 Milliarden Euro Belastung für Verbraucher und Industrie, pv magazine Deutschland, 2. Oktober 2025, https://www.pv-magazine.de/2025/10/02/bne-analyse-zum-kapazitaetsmarkt-435-milliarden-euro-belastung-fuer-verbraucher-und-industrie (letzter Zugriff: 16. Oktober 2025).

¹¹ Dr. Annette Mutschler-Siebert, Marion Baumann & Tobias Schneider, Memo: Untersuchung der beihilferechtlichen Genehmigungsfähigkeit der von der Bundesregierung geplanten Förderung neuer Gaskraftwerke, im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe e.V., 6. Oktober 2025, https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Pressemitteilungen/Energie/Thema_Gas/Memo_Geplante_F%C3%B6rderung_von_Gaskraftwerken_KLG_final.pdf (letzter Zugriff: 19. Oktober 2025).