Deutscher Energierechtstag 2024: Rückblick
Kipppunkte der Energiewende:
Finanzierung der Infrastruktur, Verfügbarkeit der Energiequellen,
Transformation des Wärmesektors
Was muss getan werden, damit die Energiewende wirklich im angestrebten Zeitrahmen zum Erfolg wird? Bei welchen Themen sind Politik und Wirtschaft auf gutem Weg, in welchen Bereichen gibt es eher Schwierigkeiten? Setzt der vorhandene Rechtsrahmen ausreichende Investitionsanreize und wo gibt es Nachbesserungsbedarf? Und wie finden die zahlreichen, unterschiedlichen Akteure am besten zueinander, um die Dinge konstruktiv und zügig voranzubringen?
Fragen wie diese standen im Mittelpunkt von Diskussionsrunden auf dem 23. Deutschen Energierechtstag 2024, der in diesem Jahr am 19. September 2024 im Luftschiffhangar am Flughafen Essen/Mülheim stattfand. Über 400 Persönlichkeiten aus Politik, Energiewirtschaft, Bundes- und Landesbehörden, Richterschaft und Anwaltschaft waren zusammengekommen, um die drängenden Fragen der Energiewende zu diskutieren.
Nachdem der Energierechtstag im letzten Jahr im Fokus des Ukraine-Krieges und der damit verbundenen Herausforderungen für die Energiewirtschaft stand, hatten die Veranstalter in diesem Jahr drei sogenannte Kipppunkte benannt, die allgemein als kritisch für den Erfolg der inzwischen Fahrt aufnehmenden Energiewende angesehen werden.
Dr. Peter Rosin, langjähriger Initiator des DET und auch in diesem Jahr wieder Gastgeber, sagte im Vorfeld: „Wir sehen, dass der Gesprächsbedarf wächst. Und wir hören unterschiedliche Meinungen, wie wir die gesetzten Ziele erreichen können. Einerseits geht es um Anreize für den massiven Investitionsbedarf in der Energiewirtschaft. Andererseits geht es darum, finanzielle Belastungen der Verbraucher möglichst zu vermeiden. Umso wichtiger ist, dass wir uns regelmäßig austauschen und gemeinsam zu guten Lösungen kommen.“
Die Veranstaltung wurde von Volker Heck, Senior Partner von H/Advisors Deekeling Arndt, moderiert. Sie begann mit der Eröffnung durch Dr. Peter Rosin, Geschäftsführender Gesellschafter von Rosin Büdenbender und Georg Sommer, Geschäftsführer der DET GmbH, die beide betonten, dass die notwendigen Weichenstellungen und Entscheidungen jetzt getroffen werden müssen und die betroffenen Akteure nur durch einen klugen, konsistenten und verständlichen Rechtsrahmen für die Umsetzung der Energiewende gewonnen werden können.
In seinem Grußwort an die Teilnehmer aus ganz Deutschland ordnete der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen, der auch in diesem Jahr wieder Schirmherr der Veranstaltung war, die Bedeutung der Konferenz für die Region ein: „Essen ist ein ausgezeichneter Standort, um über die Entwicklungen und Herausforderungen im Energie-bereich und der Zukunft der Energiebranche zu diskutieren. Daher habe ich in diesem Jahr auch gerne die Schirmherrschaft über den Energierechtstag übernommen. Denn von der Energieerzeugung und -versorgung über die Energietechnik und den Energiehandel bis hin zur Energieforschung – im Energiesektor nimmt Essen deutschland- und europaweit eine führende Rolle ein. Als Energiehauptstadt Europas ist Essen wichtiger Ankerpunkt der Energie- und Klimawende. Das wollen wir auch in Zukunft bleiben. Mein Dank geht an die Organisatorinnen und Organisatoren des diesjährigen Energierechtstages. Ihr Vertrauen in die Region als Standort ist auch ein Zeichen für die Bedeutung und den Einfluss, den unsere Stadt und das Ruhrgebiet in der Energiewelt hat.“
Parl. Staatssekretär Stefan Wenzel: „Dialog mit Branche von großer Bedeutung“
Am Vormittag standen die drei Kipppunkte „Finanzierung der Infrastruktur“, „Verfügbarkeit der Energiequellen“ und „Transformation des Wärmesektors“ im Mittelpunkt. In hochkarätig besetzten Diskussionsrunden brachten die Teilnehmer eine Vielzahl von Perspektiven und prägnanten Thesen ein. Ihnen allen gemeinsam war die Einschätzung, dass der Status zwar ermutigend ist, aber der Zeitdruck nach wie vor hoch ist und dass Versorgungssicherheit neben Investitions- und Planungssicherheit die Schlüssel für den Erfolg der Energiewende sind.
Gleich zu Beginn gab Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWK, in seiner Keynote zum Thema „Finanzierung“ die Richtung vor: „Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Energiewende weltweit beschleunigt, weil die Preise für fossile Kraftstoffe explodiert sind und viele Länder ihre Abhängigkeiten schneller beseitigen wollen. Gleichwohl bleiben große Herausforderungen, die weiterhin entschlossen angepackt werden müssen. Dafür ist der Dialog mit der Branche von großer Bedeutung.“
Jens Spahn MdB: „Kostenwende hin zu mehr Effizienz“
In der darauffolgenden Diskussionsrunde zum Thema Finanzierung der Infrastruktur fokussierte Jens Spahn, stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, auf die geplanten Kosten der Energiewende: „Wir brauchen eine Kostenwende hin zu mehr Effizienz. Alle zusätzlichen Kostentreiber müssen auf den Prüfstand. Ein Gigawatt-getriebener Ausbau allein bringt uns wenig. Wir müssen das System zusammendenken: Erneuerbare, Netze, Speicher, Wasserstoff, Kohlenstoff, Gaskraftwerke.“
Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, bewertete den Stand der Dinge wie folgt: „Für den Erfolg der Energiewende sind enorme Investitionen notwendig – für Erzeugung, Transport und Speicherung von Energie. Dies sind Investitionen für den Aufbau sicherer und nachhaltiger Energieversorgung wie auch die Absicherung des hohen Versorgungsniveaus in Deutschland.“ Versorgungssicherheit, Klimaziele und Bezahlbarkeit sowie die Wirtschaftlichkeit müssten in Balance gebracht werden. Der Industriestandort Deutschland dürfe dabei nicht aus dem Blick geraten. Vor diesem Hintergrund müsse es „einfacher, attraktiver und unbürokratischer werden, in die Energiewende zu investieren. Zusätzlich brauchen wir konkrete, direkte Ansätze, die Kapital einsammeln und in die Transformation lenken.“ Mit dem Positionspapier „Kapital für die Energiewende“ habe der BDEW gemeinsam mit dem VKU, Deloitte und mit Unterstützung der Deutschen Kreditwirtschaft konkrete Vorschläge eingebracht. Jetzt komme es darauf an, sie gemeinsam mit den politischen Entscheidungsträgern zu diskutieren und umzusetzen.
BNetzA: Kosten durch Kooperationen, Standardisierung und Modularisierung dämpfen
Für Barbie Kornelia Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, ist Finanzierung auch ein Balanceakt: „Die BNetzA will alles dafür tun, dass die notwendigen Zugänge zum Kapitalmarkt gelegt werden. Es darf aber nicht aus den Augen verloren werden, wie man zu einer Kostendämpfung kommt. Ziel muss es sein, Kosten durch Kooperationen, Standardisierung und Modularisierung zu dämpfen.“
Dr. Christoph Müller, Chief Commercial Officer, Amprion GmbH, sieht noch keine Balance in der Kostenverteilung: „Es fühlt sich nicht richtig an, sämtliche Kosten, die durch den Umbau des Energiesystems entstehen, über die Netzentgelte immer von derselben Kundengruppe bezahlen zu lassen. Wenn man neue Kundengruppen wie Elektrolyseure und Batterien davon ausnehmen will, sollte das über den Staatshaushalt und nicht über die Netzentgelte finanziert werden.“ Und Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender der EWE AG und BDEW-Präsident, sagte: „Um die Energiewendeziele zu schaffen, müssen die Investitionen in den nächsten zehn Jahren allein bei uns verdreifacht werden. Die vielen Infrastruktur-maßnahmen belasten auch die Menschen in der Region. Daher müssen wir aufzeigen, wie durch diese Investitionen auch Wertschöpfung vor Ort entsteht. Und: Eine attraktive Verzinsung für die Netze ist zwingend“.
Verfügbarkeit der Energiequellen: Bezahlbarkeit im Fokus
Beim zweiten Themenblock „Verfügbarkeit der Energiequellen“, nahm Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl auch das Thema Kosten in den Fokus: „Grüner Stahl braucht grünen Strom. Wir stehen voll hinter dem Ausbau der Erneuerbaren, der Backup-Kapazitäten und der dazugehörigen Netze. Aber das Ganze muss bezahlbar bleiben. Netzentgelt-Entlastungen kommen allen zugute: Verbraucher:innen, Mittelständler, den Energieintensiven. Deshalb setzen wir uns dafür ein.“
Dem konnte Dr. Andreas Reichel, Vorsitzender der Geschäftsführungen und Arbeitsdirektor von STEAG und Iqony, nur zustimmen: „Es ist nachvollziehbar, dass der jüngst vorgestellte Haushaltsentwurf inklusive Mittelfristplanung für den Klima- und Transformationsfonds mit Blick auf die Auswirkungen auf die Kraftwerkstrategie zunächst für Irritationen in der Branche gesorgt hat. Die Erklärung, dass es sich nicht um eine Streichung, sondern eine Verschiebung der Mittelansätze handelt, weil erst ab Ende des Jahrzehnts mit einem entsprechenden Finanzbedarf zu rechnen ist, wenn die Projekte die notwendige Reife haben, ist nachvollziehbar. Wir haben keinen Zweifel am festen politischen Willen der Bundesregierung, die Kraftwerksstrategie kurzfristig im Detail zur Konsultation vorzulegen.“
Reichel weiter: „Wir wollen an drei Standorten an Ruhr und Saar neue und dank Wasserstoff perspektivisch klimaneutrale Gaskraftwerke bauen, um damit unseren Beitrag für die Gewährleistung von Versorgungssicherheit und einer gelingenden Energiewende zu leisten. Um hierbei Chancengleichheit im Wettbewerb mit anderen Kraftwerksbetreibern und deren Standorten zu gewährleisten, müssen die Planungen des Wasserstoffkernnetzes die künftigen Kraftwerksstandorte unbedingt berücksichtigen.“
Doch für Holger Schneidewindt, Referent Energierecht, Verbraucherzentrale NRW, wird zu sehr auf das Thema Investitionen fokussiert: „Geld alleine schießt keine Tore – auch nicht bei Energiewende und Klimaschutz“. Die Diskussionsrunde wurde moderiert von Dr. Maximilian Elspas, Partner bei GvW Graf von Westphalen sowie Sebastian Lutz-Bachmann, Partner bei Posser Spieth Wolfers & Partners.
Danach berichtete Dr. Ulrike Picker, Richterin am BGH, Kartellsenat und XIII. Zivilsenat, über das Urteil im Streit um das Fernwärmenetz Stuttgart. Dieses hatte in der Branche für viel Interesse gesorgt und wird weiterhin breit diskutiert. Sie argumentierte: „Mit dem Fernwärmenetz Stuttgart-Urteil hat der Bundesgerichtshof eine erste Entscheidung zu kartellrechtlichen Fragen bei der Einräumung von Wegerechten für den Betrieb von Fernwärmenetzen getroffen und dabei die Durchführung eines wettbewerblichen Auswahlverfahrens durch die Gemeinde grundsätzlich gebilligt. Eine generelle und abschließende Klärung der Rechtslage nach Auslaufen eines Konzessionsvertrags für den Betrieb eines Fernwärmenetzes ist mit dem Urteil nicht erfolgt“.
Refinanzierung von Investitionen: Kernthema bei der Wärmewende
Der dritte Themenblock „Transformation des Wärmesektors“ begann mit einem Impuls-Vortrag von Moderator Ralph Kremp, Partner der BET GmbH. Er gab einen Überblick, wie weit die Transformation des Wärmesektors aus seiner Sicht vorangekommen ist. Ein anzustrebendes Ziel wäre eine funktionierende Balance zwischen transformierten Wärmenetzen, sicher wirtschaftenden Versorgern und aufgeklärten Verbrauchern. Zusammen mit Ko-Moderatorin Christina Will, Geschäftsführende Gesellschafterin von Rosin Büdenbender, leiteten sie über zu Dr. Constantin Alsheimer, Vorstandsvorsitzender der Thüga AG, der in der sich anschließenden Diskussion den Aspekt der Finanzierung fokussierte: „Die Finanzierung der Wärmewende stellt eine immense Herausforderung dar. Das größte Problem der Transformation ist, dass die Refinanzierung von neuen Fernwärmearealen häufig erst nach zehn Jahren beginnt. Solche Zeiträume sind aus Finanzierungssicht schwer darstellbar. Hinzu kommt, dass gesetzliche Regelungen teilweise kontraproduktiv sind. Dies gilt z.B. für die Förderung von Wärmepumpen auch in Gebieten, die nach Fertigstellung der kommunalen Wärmeplanung für den Ausbau von Wärmenetzen vorgesehen sind. Auch der aktuelle Entwurf der AVBFernwärmeV schafft neue bürokratische Regelungen und eine Preis-Regulierung-light, anstatt die Wärmewende zu beschleunigen.“
Birgit Lichtenstein, Vorstand Finanzen der RheinEnergie AG, sah auch ein Kostenthema auf Verbraucherseite: „In der Diskussion kommt das Thema Kunden und tragfähige Preise zu kurz. Kunden, die aktuell eine funktionsfähige Wärmelösung haben, sehen jedenfalls aktuell keine Entscheidungsnotwendigkeit, sich auf eine Alternative und vor allem teurere Versorgungslösung einzulassen. Trotzdem müssen die Investitionen in die Zukunft heute vorgenommen werden. Auf der Zeitachse wird man diskutieren müssen, ob Investitionsanreize richtig gesetzt werden und auf Kundenseite ein Verständnis für System- und Transformationskosten geschaffen werden.“ Anna Jasper-Martens, Geschäftsführerin E.ON Infrastructure Solutions, mahnte an: „Der aktuelle Rechtsrahmen bietet keine ausreichende regulatorische Sicherheit, was eine große Herausforderung darstellt. So bleibt es zum Beispiel unklar, welche Fördermittel künftig sicher bereitstehen werden. Außerdem ist es wichtig, mögliche Auswirkungen von Regulierungsansätzen auf den Erfolg der Wärmewende vorherzusehen und sicherzustellen, dass nachhaltige Wärmeversorgung auch wirtschaftlich und bezahlbar bleibt.“
Auch Jochen Sander, Geschäftsführer Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft, blickte mit Skepsis auf den Stand der Dinge: „Es ist unstrittig, wie wichtig der Klimaschutz ist. Ich habe aber den Eindruck, dass vielen nicht klar ist, wie ambitioniert das Ziel ist, 2045 klimaneutral zu sein und wir die Dimension der Transformation völlig unterschätzen. Das betrifft nicht nur die Kosten und Preise, sondern auch die Genehmigungssituation, das Fehlen von Tiefbaukapazitäten oder von Fachkräften. Alle sind sich einig in ihrem Wunsch an den Gesetzgeber nach regulatorischer Sicherheit, die über eine Legislaturperiode hinausgeht. Auch kleinteilige Eingriffe sollten vermieden und die Freiheitsgrade für die Kommunen nicht zu stark eingegrenzt werden.“
Zur Mittagszeit luden die Fußball-Bundesliga-Spielerinnen der SGS Essen, die Rosin Büdenbender unterstützt, zum Torwandschießen ein – ein entspannender Ausgleich, den viele wahrnahmen:
Kraft des Wettbewerbs
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, ordnete anschließend das große Bild aus seiner Sicht ein: „Die Transformation bewältigen wir nur mit der Kraft des Wettbewerbs. Die billionenschweren Investitionen müssen überwiegend aus dem Markt heraus getätigt werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher tragen einen Großteil der Kosten. Wettbewerb ist der einzige echte Preisbegrenzer. ‚Koste es, was es wolle‘ bringt die Energiewende nicht voran, sondern wirft sie zurück. Die Folge sind Ineffizienzen, höhere Kosten und falsch dimensionierte Infrastruktur. Stattdessen müssen wir beim Hochlauf der Erneuerbaren, der Elektromobilität oder beim Wasserstoff verstärkt auf marktliche Signale setzen. Damit nutzen wir das Wissen tausender Marktakteure. Die Fernwärme ist ein zentraler Bestandteil der Wärmewende. Wir brauchen eine effektive Preisaufsicht. Statt auf überbordende Regulierung zu setzen, bei der Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis steht, sprechen wir uns für eine ‚Regulierung light‘ aus. Diese sollte die kartellbehördliche und zivilrechtliche Durchsetzung der AVBFernwärmeV und des Kartellrechts stärken.“
Regulatorische Weichenstellungen
Am Nachmittag wurde es dann mit Blick auf den Rechtsrahmen noch konkreter. In der Gesprächsrunde zu regulatorischen Fragestellungen, die Dr. Kristin Spiekermann und Wiegand Laubenstein, beide Geschäftsführende Gesellschafter von Rosin Büdenbender, moderierten, stellte Anne-Christin Frister, Vorsitzende Richterin des 3. Kartellsenats des OLG Düsseldorf, zu Beginn ausgewählte Entscheidungen aus der Rechtsprechung ihres Hauses vor. Sodann trat sie Befürchtungen, aufgrund der größeren Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden sei ein Zuwachs von „gerichtsfesten“ Gestaltungs- und/oder Beurteilungsspielräumen zu besorgen, beruhigend entgegen. Die Aufteilung der Entscheidungsebenen in Rahmenfestlegungen, Methodenfestlegungen und Einzelfestlegungen könne keinen Ausfall der gerichtlichen Kontrolle bedeuten. Erweiterte Gestaltungsspielräume und erhöhter Begründungsaufwand böten mehr und andere Ansatzpunkte für die gerichtliche Kontrolle. Gegenüber einer Rahmenfestlegung müsse Rechtsschutz unabhängig von der materiellen Beschwer entweder direkt gegeben sein oder zumindest in Form einer Inzidentprüfung im Rahmen von Beschwerden gegen die Methodenfestlegung/Einzelfestlegung.
Für Anne Zeidler, Vorsitzende der Beschlusskammer 7 der Bundesnetzagentur, ein wichtiger Schritt: „Die Bundesnetzagentur sieht ihre gestiegene Verantwortung als Chance, den regulatorischen Rahmen zu überprüfen und der Dynamik der Energiewende anzupassen. Dabei setzt sie auf einen offenen Diskussionsprozess mit allen Stakeholdern. Wir arbeiten nicht im stillen Kämmerlein, sondern sind bestrebt, die Branche umfassend in die Überlegungen einzubeziehen.“ Dr. Bernd-Michael Zinow, General Counsel, EnBW AG, brachte einen weiteren Aspekt in die Diskussion: „Die gewachsene Macht der Bundesnetzagentur als Rechtssetzungs- und Entscheidungsorgan wäre ohne eine effektive gerichtliche Kontrolle untragbar. Hier ist noch viel Grundlagenarbeit von juristischer Seite zu leisten, z.B. bezüglich der rechtlichen Qualifikation von Rahmenfestlegungen und deren Anfechtbarkeit.“
Schnelle Umsetzung gefordert: Der Hochlauf des Wasserstoffmarktes
Anschließend ging es, moderiert von Dr. Michael Neupert, Partner bei Kümmerlein Rechtsanwälte und Dr. Peter Rosin, um die juristischen Rahmenbedingungen für den Hochlauf des Wasserstoff-Marktes.
Jens Geier, Mitglied des Europäischen Parlaments, fasste den Status quo aus Brüsseler Perspektive wie folgt zusammen: „In Spanien und Portugal ist grüner Wasserstoff zu marktfähigen Preisen zu haben, aber gerade Spanien wird diesen Wasserstoff selbst für seine Industrie nutzen. In Deutschland haben wir ein ganz anderes Problem: Sollten aufgrund der Strukturkrise beim Stahl die Direktreduktionsanlagen nicht gebaut werden, dann würde ein großer Teil der industriellen Nachfrage wegbrechen. Dann haben wir weniger das Problem, wo der Wasserstoff herkommt, sondern dann stockt der gesamte Hochlauf. Heute schon ist mir die Umsetzungsgeschwindigkeit zu langsam.“
Annick Moiteaux, Ministerialrätin und Referatsleiterin im BMWK, kommentierte: „Mit dem Wasserstoff-Kernnetz schaffen wir eine zentrale Zukunfts-Infrastruktur, ohne die eine weitere Dekarbonisierung unserer Energieversorgung sowie wichtiger Industriezweige nicht gelingen kann. Die Planungssicherheit für den Bau schaffen wir durch ein Finanzierungsmodel, das privatwirtschaftliche Investitionen anreizt und die vollständige Finanzierung des Wasserstoffkernnetzes über Netzentgelte ermöglicht.“
Anne Zeidler von der Bundesnetzagentur erläuterte: „Im Wasserstoffbereich wurden mit der WANDA-Festlegung wesentliche Rahmenbedingungen für die Finanzierung des Wasserstoffnetzes gesetzt. Im nächsten Schritt steht nun die Festlegung des Hochlaufentgelts an. Die Bundesnetzagentur hat ebenfalls bereits Vorstellungen für ein Grundmodell für den Wasserstoffzugang konsultiert. Basierend auf den Anmerkungen und Vorschlägen der Branche wird noch in diesem Jahr eine weitere Konsultationsrunde gestartet.“
Dem konnte sich Ulrich Ronnacker, Bereichsleiter Recht und Regulierung, Open Grid Europe, anschließen: „Die Verhandlungen zum Gaspaket sind aus deutscher Sicht sehr gut gelaufen. Der EU-Rat und das Parlament konnten wichtige Punkte fixieren, genannt seien hier nur beispielhaft die Fortgeltung der ITO-Regelungen beim Wasserstoff-Netzbetrieb, Flexibilität der Mitgliedstaaten beim horizontalen Unbundling und die Ermöglichung der integrierten Gas- und Wasserstoff-Netzplanung. Hier hat das Team von Herrn Geier einen super Job gemacht!“. Gregor Seidewinkel, Bereichsleiter Recht, Regulierung und Kommunikation, Thyssengas GmbH, umriss klare Forderungen: „Was wir brauchen, sind Regelungen zur Einbindung der Verteilernetze, zur Entgeltsystematik, zum Zusammenspiel mit dem Hochlaufentgelt und brauchen natürlich wir auch die Commodity.“
Dr. Peter Rosin fand am Ende des anregenden Tages optimistische Worte zum Stand der Dinge: „Wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Aber die Energiewende ist und bleibt eine gemeinsame Kraftanstrengung. Und sie wird nur dann gelingen, wenn wir alle Herausforderungen – Finanzierung, Verfügbarkeit von Energie, Transformation, aber auch Regulierungsfragen – schnell und koordiniert lösen können.“
Zuvor hatte der Parlamentarische Staatssekretär im BWMK, Stefan Wenzel, den Energierechtstag als weitsichtig beschrieben: „Der Energierechtstag fokussiert die letzten Entscheidungen von Gerichten in Deutschland und in Europa mit Wirkung auf das Energierecht und wirft zugleich einen weiten Blick nach vorn. Auf aktuelle Herausforderungen, die mit der Transformation unserer Energieversorgung, der Energiesicherheit und den internationalen Verpflichtungen, die Deutschland im Rahmen des Pariser Klimaabkommens eingegangen ist, zusammenhängen.“
Weiterführende inhaltliche Einblicke zu den diskutierten Kipppunkten „Finanzierung der Infrastruktur“, „Verfügbarkeit der Energiequellen“ und „Transformation des Wärmemarktes“ finden Sie auf rosin-buedenbender.com.
Wir freuen uns auf den nächsten Deutschen Energierechtstag mit Ihnen!
Das Energierechtsteam von Rosin Büdenbender und die DET GmbH.
Fotos von Christine Sommerfeldt