Dr. Peter Rosin_ Man hat das Gefühl, das Thema Energie beschäftigt inzwischen fast alle. Egal, ob ich mit Politikern, Wirtschaftsleuten oder Studenten spreche oder nur ein bisschen mit dem Nachbarn plaudere, nach 2 Minuten sind wir bei der Energie. Was glaubt ihr: Ist das ein Alarmzeichen oder eigentlich was Gutes?

Dr. Kristin Spiekermann_ Es zeigt einfach, dass es quer durch die Gesellschaft das eine Thema ist, das alle umtreibt. Alle wollen oder müssen Position beziehen. Und das ist erstmal gut.

Dr. Thomas Brunn_ Es hat sicher auch damit zu tun, dass die Energiewende gefühlt einfach nur schleppend vorankommt. Und darüber wird dann geschrieben und darüber unterhalten sich die Leute. Dass die Konzepte der Politik nicht ausgereift sind. Dass die Genehmigungsverfahren lange dauern. Dass der Netzausbau stockt und so weiter.

Jana Michaelis_ Es ist nicht allein die Schuld der Politik. Die Energiewende folgt einem ambitionierten Zeitplan, gleichzeitig ist die Materie ziemlich komplex, viele Dinge müssen reguliert bzw. juristisch neu definiert werden, das alles kostet Zeit.

Dr. Peter Rosin_ Sind wir denn gefühlt noch im Zeitplan?

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Jana Michaelis_ Wenn man das große Ziel nimmt -Klimaneutralität bis 2045- , dann hört sich das weit weg an und man denkt: Bis dahin werden wir das ja wohl schaffen. Aber die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass einige Dinge, Genehmigungsverfahren zum Beispiel, sehr viel länger brauchen als gedacht.

Dr. Kristin Spiekermann_ Die Energiewende wird vieles verändern, wahrscheinlich auch uns. Alle müssen sich umstellen, allein das kostet schon Zeit. Es kommen heute Fragen auf den Tisch, die es früher so nicht gab. Nehmen wir den Bereich „Regulierung“. Allein die Zahl der Musterverfahren, die wir geführt haben!

Jana Michaelis_ Es macht auch deutlich, dass es keine klare Dramaturgie geben kann im Sinne von: Wir machen erst das eine und danach das andere. Die Versorgung zum Beispiel muss immer sichergestellt sein, egal, worauf gerade der Fokus liegt.

DR. Thomas Brunn_ Trotzdem: Es braucht eine Hierarchie für die Umsetzung. Es braucht zunächst Vorgaben aus der Politik, sonst entsteht ein Vakuum. Und diese Vorgaben müssen klar sein und einen verlässlichen rechtlichen Rahmen bieten, sonst halten sich Unternehmen mit Investitionen zurück.

Es kommen heute Fragen auf den Tisch, die es früher so nicht gab.“
Dr. Kristin Spiekermann

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Dr. Peter Rosin_ Ja, die Unternehmen halten sich zurück und nicht nur das. Noch immer wird der Finanzierungsbedarf von vielen Seiten massiv unterschätzt. Wir brauchen einen Reset, ein gemeinsames Verständnis, was die Größenordnung angeht.

Jana Michaelis_ Der Finanzbedarf ist auch deshalb so groß, weil es ja nicht nur um strategische Fragen geht, sondern auch um technische Herausforderungen. Nehmen wir zum Beispiel Offshore oder Geothermie: Darin liegen Chancen für Unternehmen, aber sie werden Neuland betreten müssen, um diese Chancen zu nutzen.

DR. Thomas Brunn_Ich glaube, die Unternehmen haben erst mal nichts gegen neue Player, im Gegenteil. Sie verstehen die Chancen der Energiewende und suchen aktiv nach Kooperationspartnern und Möglichkeiten für Transaktionen. Aber nochmal: Der große Schritt nach vorn wird erst kommen, wenn das Fundament, also die Leitplanken, die aus der Politik kommen müssen, verlässlich ist.

Jana Michaelis_Ich denke noch an einen anderen Aspekt und dafür ist nicht allein die Politik zuständig. Ich finde, dass die Energiewende oft ein Kommunikationsproblem hat.

Dr. Peter Rosin_ Im Sinne von Image? Dass der Markt und die Menschen nicht daran glauben?

Der Finanzierungsbedarf wird von vielen Seiten massiv unterschätzt.“
Dr. Peter Rosin

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Jana Michaelis_
Ich meine es erst einmal branchen-intern. Wir haben so viele Aufgaben, so viele Player, so viele unterschiedliche Interessen. Wenn man auf die Branche schaut, dann sieht man aber bei vielen Projekten bestenfalls ein Nebeneinander. Und ich glaube, das ist mit Blick auf die gesteckten Ziele viel zu wenig.

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Es braucht Vorgaben aus der Politik, sonst entsteht ein Vakuum.“
Dr. Thomas Brunn

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Dr. Peter Rosin_
Ja, das ist ganz entscheidend! Es hört sich wie eine Binse an, dass die Energiewende eine gemeinsame Kraftanstrengung ist, dennoch ist es der Faktor, der in der Praxis den größten Unterschied macht.

Dr. Thomas Brunn_ Je mehr Kooperationen, desto mehr Investitionen.

Dr. Peter Rosin_ Ja, damit sind wir wieder bei der Finanzierung. Die Unternehmen und ihre Kooperationspartner müssen ihre Investitionen koordinieren; sie müssen sie auf ein gemeinsames Ziel ausrichten, dann werden alle erfolgreich sein.

Dr. Kristin Spiekermann Und ich glaube, es ist mehr denn je unsere Aufgabe, diese Entwicklung zu unterstützen!

Dr. Thomas Brunn_ Wirklich? In der Praxis sind wir erst einmal nicht Lobbyisten der Energiewende, sondern sind im Rahmen unserer Mandate Interessenvertreter.

Dr. Peter Rosin_ Interessant! Bei welchen Mandaten schließt sich das aus? Oder, anders gefragt: Sollten wir als Anwälte im Kontext einer Energiewende, zu der es politisch gewollt keine Alternative gibt, nicht immer eine positive Grundhaltung genau dazu haben?

Dr. Kristin Spiekermann_ Die haben wir doch! Wir richten seit vielen Jahren den Deutschen Energierechtstag aus; wir bringen Menschen aus der Branche zusammen, wir stoßen aktuelle Themen an, wir moderieren die Diskussion.

Jana Michaelis_ Wir vermitteln ja nicht nur einmal im Jahr, sondern wir arbeiten jeden Tag an den Schnittstellen zur Politik, zu den Unternehmen, indirekt auch zu den Endverbrauchern. Vielleicht verändert sich unsere Aufgabe auch in dem Sinne, dass wir im Rahmen unserer Mandate mehr als bisher mit dem Blick auf das große Ganze einer gelungenen Energiewende argumentieren.

Dr. Thomas Brunn_ Ich weiß nicht. Ich würde trotz allem gern erst einmal meine Mandanten sehr gut juristisch beraten, das ist eher Arbeit im Detail.

Jana Michaelis_ Dann formuliere ich es anders: Ich glaube, je mehr wir mit dem großen Ganzen argumentieren, desto besser wird unsere Arbeit im Detail sein.

Dr. Peter Rosin_ Das nehmen wir als Schlusswort. (lacht)

Je mehr wir mit dem großen Ganzen argumentieren, desto besser wird unsere Arbeit im Detail.“
Jana Michaelis

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