Rückblick 2025
Energiewende neu justieren.
Warum die Energiewende neu justiert werden muss.
Geopolitische Spannungen. Eine schwächelnde Wirtschaft. Hoher Transformations- und Investitionsbedarf. Eine neue Regierung. Beständig neue Vorgaben. Und die Frage: Wie schaffen wir es trotz allem, die Energiewende weiter voranzubringen? Am 04.09.2025 diskutierten über 400 Persönlichkeiten aus Politik, Energiewirtschaft, Bundes- und Landesbehörden und Richterschaft in der Philharmonie Essen.
Nachbericht
Der 24. Deutsche Energierechtstag.
„Energiewende neu justieren" – unter diesem Motto fand am 4. September 2025 in der Philharmonie Essen der 24. Deutsche Energierechtstag statt. Dr. Peter Rosin, Geschäftsführender Gesellschafter, Rosin Büdenbender, langjähriger Initiator der Veranstaltung und auch in diesem Jahr wieder Gastgeber, erklärte dazu im Vorfeld: „Allen dürfte klar sein, dass die Energiewende nicht ganz optimal läuft. Aber wie justiert werden sollte, das ist die entscheidende Frage. Der Deutsche Energierechtstag ist das geeignete Forum, um dieses aus allen Blickwinkeln zu diskutieren."
Zu Beginn der Veranstaltung richtete Thomas Kufen, Essener Oberbürgermeister und auch in diesem Jahr Schirmherr der Veranstaltung, ein Grusswort an die Teilnehmer: „Die großen Herausforderungen der Energiewende können wir nur gemeinsam bewältigen. Der Dialog zwischen Energiewirtschaft, Politik, Justiz, Verwaltung und Forschung ist dafür unverzichtbar. Essen ist dabei nicht nur Gastgeber, sondern Motor: Motor der Energiewende, Innovationsstandort für Unternehmen und Energiehauptstadt Europas. Ganz herzlich danke ich den Organisatoren für die Ausrichtung des 24. Deutschen Energierechtstags in Essen. Ebenso danke ich den Sponsoren und Unterstützern für ihr Engagement."
Das Programm begann mit einem Beitrag von Dr. Peter Rosin zum Thema „Klimaklagen". Unter dem Titel „Über Peru nach Vanuatu" schilderte er internationale Fälle, die als zivilrechtliche, den Klimaschutz betreffende Klagen gegen Unternehmen oder öffentliche Institutionen bekannt geworden sind. Seine Analyse: „Klagen gegen Unternehmen sind nicht zielführend, um wirklich zu einem Fortschritt beim Klimaschutz zu kommen. Das Urteil des OLG Hamm liefert auf 60 Seiten obiter dictum keine belastbare Erklärung dafür, warum eine zivilrechtliche Verantwortung von Unternehmen für notwendige Anpassungsmaßnahmen trotz nach dem BImSchG genehmigter Tätigkeit und trotz Verpflichtung im TEHG-System gerechtfertigt sein soll. Der völkerrechtlich zulässige und richtige Weg ist vielmehr der über die Staatenverantwortlichkeit."
Anschließend ging es zunächst um das große Bild der Energiemärkte; dazu legte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, den Blick seines Hauses auf den Status quo dar. Er sagte: „Die Energiewende erfordert gewaltige Investitionen – aber nicht der Staat, sondern die Märkte müssen diese Last tragen. Regulierung kann Missstände eindämmen, doch sie ersetzt keinen funktionierenden Wettbewerb. Nur wenn Anbieter im Wettbewerb stehen, entstehen faire Preise, Innovation und ein dauerhaft verlässliches Angebot."
Das Thema Regulierung bestimmte auch den weiteren Vormittag. Im Ausschluss setzte sich Dr. Andreas Reichel, Vorsitzender der Geschäftsführung und Arbeitsdirektor der Steag Iqony Group, mit Fragen zur Kraftwerksregulierung auseinander. Er sagte: „Wir sollten uns das energiepolitische Zieldreieck wieder stärker ins Gedächtnis rufen: Auf Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit kommt es an. Deshalb begrüße ich die pragmatische Neuausrichtung der Energiepolitik durch die Bundesregierung ausdrücklich. Nun ist Tempo bei der Umsetzung gefragt. Bei dem notwendigen Zubau von Kraftwerken stehen die Unternehmen in den Startlöchern und brauchen jetzt den regulatorischen Rückenwind."
Als Einstieg zu einer Diskussionsrunde zur Zukunft der Netzregulierung erläuterte Barbie Kornelia Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, die Rolle ihres Hauses und ihren Blick auf die Aufgabe. Sie sagte: „Angesichts der zunehmenden Dynamik der Energiewende soll unsere Regulierung schneller, transparenter und einfacher werden. Das Ziel ist ein ausgewogenes System, das Netzbetreiber und Netznutzer betrachtet. Klar ist, dass es weiter möglich sein wird, eine attraktive Rendite zu erwirtschaften."
An der sich anschließenden Diskussionsrunde beteiligten sich Anne-Christin Frister, Vorsitzende Richterin 3. Kartellsenat, OLG Düsseldorf, Prof. Dr. Jochen Mohr, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wettbewerbsrecht, Energierecht, Regulierungsrecht und Arbeitsrecht, Universität Leipzig, Dr. Christoph Radke, General Counsel, E.ON SE, Dr. Bernd-Michael Zinow, General Counsel, EnBW AG sowie Dr. Kristin Spiekermann, Geschäftsführende Gesellschafterin, Rosin Büdenbender. In der Diskussion wurde angeregt über die Folgen der neuen Regulierungsordnung debattiert. Frau Vizepräsidentin Haller betonte, dass die Regulierung zu einer Verbesserung für die Netzbetreiber führen werde. Demgegenüber stellten die Vertreter der Unternehmen klar, dass sich die Erlösobergrenzen auf der Basis der konsultierten Festlegungen der Bundesnetzagentur absehbar nach unten entwickeln werden. Gerichtliche Streitigkeiten seien mithin absehbar. Die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf Frister erklärte, der zuständige 3. Kartellsenat des OLG Düsseldorf werde prüfen, wie weit die gerichtliche Kontrolle reichen werde und eventuell bis hin zu einer Vollkontrolle angezeigt sei.
Nach dem Mittagessen wurde der Fokus auf die Finanzierung der Energiewende gelenkt. Georg Sommer, Geschäftsführer der DET GmbH, analysierte dazu: „Die Finanzierung der Energiewende ist gesamtwirtschaftlich, aber insbesondere für die Unternehmen der Energiewirtschaft eine Herausforderung. Sie müssen für eine angemessene Verzinsung ihres Eigenkapitals streiten und sich gleichzeitig mit immer komplexeren Kriterien bei der Kapitalbeschaffung auseinandersetzen – eine Rechnung mit vielen Unbekannten."
Anschließend rückte die neue Legislatur und die damit verbundenen Aufgaben der neuen Bundesregierung in den Mittelpunkt. Zunächst skizzierte Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore e.V. (BWO), was seiner Meinung nach in Bezug auf Offshore-Wind-Investitionen nun getan werden müsste. „Der Ausbau der Offshore-Windenergie gleicht einem Marathon – doch aktuell laufen wir mit zusammengebundenen Schnürsenkeln. Uns bremst das aktuelle Ausschreibungsdesign als regulatorische Hürde aus. Wir brauchen eine schnelle Reform mit Differenzkontrakten, den sogenannten CfDs. Sonst verlieren wir noch mehr wertvolle Zeit und Dynamik in einer Phase, in der Deutschland eigentlich Tempo machen muss."
Die neue Legislatur nahm anschließend auch Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW, in den Blick und richtete dabei das Augenmerk auf die Umsetzung der Energiewende. Sie sagte: „Wir stehen bei der Energiewende an einer wichtigen Wegegabelung. Da ist es gut, dass die Bundesregierung ein Monitoring in Auftrag gegeben hat. Die Kosten- und Systemeffizienz muss jetzt in den Mittelpunkt rücken. Dabei bedeutet Effizienz nicht einfach mehr oder weniger von dem einen oder anderen. Vielmehr geht es darum, stärker darauf zu schauen, wie die einzelnen Komponenten des Energiesystems noch besser ineinandergreifen."
Ihr Vortrag fungierte auch als Überleitung zur sich anschließenden Diskussionsrunde zum Thema „Energiewende neu justieren", in der es um ganz konkrete Maßnahmen ging. Es diskutierten: Jens-Uwe Freitag, Geschäftsführer, Veolia Energie Deutschland GmbH, Dr. Oliver Koch, stellvertretender Referatsleiter für Binnenmarktfragen in der Generaldirektion Energie, Europäische Kommission, Dr. Michael Müller, Finanzvorstand, RWE AG sowie
Dr. Klaus Wiener MdB, Obmann CDU/CSU im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. In der Diskussionsrunde herrschte Einigkeit, dass jetzt der Zeitpunkt sei, um den Stand der Energiewende ehrlich zu bewerten, und ggf. korrigierend in vorhandene Gesetzespakete einzugreifen. Grundsätzlich wünschten sich die Teilnehmer mehr Pragmatismus und Konsequenz in der Umsetzung. Es sei nicht zielführend, laufende Prozesse, wenn sie einmal angestoßen wurden, immer wieder optimieren zu wollen.
Anschließend ging es um das komplexe Thema der Kundenanlagen. Hierzu führte Christina Will, Geschäftsführende Gesellschafterin, Rosin Büdenbender, ihre Einschätzung zu den Konsequenzen aus den jüngst ergangenen EuGH- und BGH-Beschlüssen aus. Sie sagte: „Kundenanlagenbetreiber fühlen sich in ihren Befürchtungen bestätigt, dass auch ihre Energieanlagen im Zusammenhang mit den Urteilen des EuGH und BGH betroffen sein könnten. Um unternehmerisch weiter planen zu können, erwarten sie nun Rechtssicherheit vom Gesetzgeber und von den Regulierungsbehörden."
Schließlich begannen die so genannten Breakout Sessions. Die Teilnehmer konnten sich zwischen vier Workshops entscheiden, die allesamt fachlich hervorragend besetzt waren und in denen aktuelle Themen im Detail diskutiert wurden.
Im Workshop 1 ging es um die Herausforderungen der Wasserstoff-Transformation: es wurde über die Frage diskutiert, aus welchen Gründen es beim Wasserstoff-Hochlauf in Deutschland derzeit „klemmt" und was zu unternehmen ist, damit es in diesem Sektor vorangeht. Sabine Augustin, Kaufmännische Geschäftsführerin, RWE Gas Storage West GmbH, Jens Geier MdEP (SPD), Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, Europäisches Parlament, Dr. Tobias Mirbach, Head of Hydrogen / Leiter TOP-Projekt Wasserstoff, EnBW AG und Marcus A. Söhrich, Bereichsleiter Netzerlöse, Assetmanagement & Controlling, Open Grid Europe GmbH gaben aus ihren jeweiligen Perspektiven Einblicke in die Schwerpunktsetzung der Unternehmen zur Weiterentwicklung des Wasserstoffsegments und die Rolle der Europäischen Kommission.
Workshop 2 widmete sich der Umsetzung des EU-Gaspaketes zur geordneten Transformation der Gasverteilnetze. Es diskutierten: Julia Borger, BDEW, Fabian Pause LL.M, Leiter Forschungsgebiet Europäisches und Internationales Energie- und Klimaschutzrecht, Stiftung Umweltenergierecht, Dr. Frank Pieper, Vorsitzender des Vorstands und technischer Vorstand, Stadtwerke Essen, Dr. Sebastian Runschke, Referat WEW3, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär a.D., Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Teilnehmer stimmten zwar im Ausgangspunkt darin überein, dass das EU-Gaspaket einen guten und praktikablen Rahmen für die Transformation der Gasverteilnetze schaffe. Für die Umsetzung sei aber eine konsistente und die objektiven Bedarfe berücksichtigende Planung unabdingbar; zudem sei es hilfreich, die Zeitläufe der Planung in der nationalen Umsetzung der Richtlinie noch besser aufeinander abzustimmen. Was die Finanzierung angeht, besteht hingegen noch erheblicher Diskussionsbedarf. So würde ein Amortisationskonto für die Verteilnetzebene u.a. maßgeblich von der Sicherstellung einer Zwischenfinanzierung abhängen. Finanztransfers bzw. gesonderte Entgelte nach Art. 5 GasVO sind zwar denkbar. Die konkrete Ausgestaltung in der Praxis ist aber noch zu diskutieren.
Im dritten Workshop stand die Netzregulierung im Fokus. Es diskutierten: Dr. Konstantina Bourazeri-Mohr LL.M., Referat IIIC5, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Anne-Christin Frister, Vorsitzende Richterin, 3. Kartellsenat, OLG Düsseldorf, Dr. Stefan Richter, Leiter Regulatory Management & Grid Economics, E.ON SE und Michael Seidel, Partner Regulierung & Controlling, BET Consulting GmbH. In der Diskussion betonte Herr Dr. Richter, dass der von der BNetzA angestoßene NEST-Prozess in weiten Teilen der Branche als nicht zielführend wahrgenommen werde. Seine Analyse des zukünftigen Regulierungsrahmens, wonach sich die Erlösobergrenzen der Netzbetreiber spürbar verschlechtern werden, wurde von Herrn Seidel bestätigt. Frau Dr. Bourazeri-Mohr warf einen Blick auf den Referentenentwurf des EnWG, u.a. auf die Regelung des § 75 Abs. 3 a EnWG-Ref-E zur Inzidentkontrolle der „Kaskaden-Festlegungen" der Bundesnetzagentur. Die Diskussions-Teilnehmer waren sich einig, dass hierdurch wohl eine Verfahrensvereinfachung zu erwarten sein dürfte.
Der vierte Workshop blickte auf Transformationsfragen im Zeitalter der digitalen Energiewirtschaft. Es diskutierten: Bastian Gierull, CEO, Octopus Energy Germany, Phil Hamacher, D'Avoine Teubler Neu Rechtsanwälte, Thomas Gebetsroither, Senior Director, Capgemini Invent und Prof. Dr. Jens Strüker, Professor für Wirtschaftsinformatik und Digitales Energiemanagement, Universität Bayreuth. Unterm Strich waren sich die Teilnehmer einig, dass der zukünftige Einsatz von KI sowohl bei Energieversorgern als auch bei Netzbetreibern zwingend ist, um die steigende Komplexität des Energiesystems beherrschen zu können und die immer höheren Kosten zu reduzieren. Insoweit seien die anfänglich hohen Kosten zur Etablierung von KI-Systemen und der damit zusammenhängende steigende Energiebedarf ein notwendiges Übel, um die Betriebe zukunftsfähig zu machen und die Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten. Das Publikum teilte im Wesentlichen diese auf dem Podium herrschende Einigkeit: Per Live-Umfrage zeigte sich eine Mehrheit optimistisch, dass die Potenziale des KI-Einsatzes seine Risiken überwiegen werden. Über 80 % sehen KI als große Chance, das System zu optimieren, sind sich aber auch sicher, dass der Anstieg an KI zu neuen Aufgaben und Problemen führen wird."
Nach dem Ende der Workshops bedankte sich Georg Sommer bei allen Teilnehmern und Sponsoren für ihr Engagement und fasste den Tag zusammen: „Man kann an einem Tag selbstverständlich nicht die komplexen Herausforderungen der Energiewende lösen. Aber wir haben heute ganz unterschiedliche Perspektiven zusammengebracht und eine Reihe von Impulsen gesetzt, wie man das, was noch nicht so gut funktioniert, justieren könnte. Dafür vielen Dank!"
Stimmen aus dem Kreis der Teilnehmer
„„Wir sollten uns das energiepolitische Zieldreieck wieder stärker ins Gedächtnis rufen: Auf Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit kommt es an. Deshalb begrüße ich die pragmatische Neuausrichtung der Energiepolitik durch die Bundesregierung ausdrücklich. Nun ist Tempo bei der Umsetzung gefragt. Bei dem notwendigen Zubau von Kraftwerken stehen die Unternehmen in den Startlöchern und brauchen jetzt den regulatorischen Rückenwind."

„Die großen Herausforderungen der Energiewende können wir nur gemeinsam bewältigen. Der Dialog zwischen Energiewirtschaft, Politik, Justiz, Verwaltung und Forschung ist dafür unverzichtbar. Essen ist dabei nicht nur Gastgeber, sondern Motor: Motor der Energiewende, Innovationsstandort für Unternehmen und Energiehauptstadt Europas. Ganz herzlich danke ich den Organisatoren für die Ausrichtung des 24. Deutschen Energierechtstags in Essen. Ebenso danke ich den Sponsoren und Unterstützern für ihr Engagement."

„„Die Energiewende erfordert gewaltige Investitionen – aber nicht der Staat, sondern die Märkte müssen diese Last tragen. Regulierung kann Missstände eindämmen, doch sie ersetzt keinen funktionierenden Wettbewerb. Nur wenn Anbieter im Wettbewerb stehen, entstehen faire Preise, Innovation und ein dauerhaft verlässliches Angebot."

„„Angesichts der zunehmenden Dynamik der Energiewende soll unsere Regulierung schneller, transparenter und einfacher werden. Das Ziel ist ein ausgewogenes System, das Netzbetreiber und Netznutzer betrachtet. Klar ist, dass es weiter möglich sein wird, eine attraktive Rendite zu erwirtschaften."
